Der Schulweg nach Speicher führt über Mainz

SPEICHER. Die Realschule Speicher bemüht sich seit Jahren um eine eignene Orientierungsstufe, hat dazu aber vom Land noch keine Genehmigung bekommen. Schüler der fünften und sechsten Klasse werden seit 30 Jahren gemeinsam mit Kindern der Hauptschule unterrichtet.

Das eigentliche Problem beginnt in den Köpfen. "Die Leute wollen Golf fahren, bekommen aber nur einen Astra geboten", sagt Jürgen Weber, "also gehen sie dahin, wo sie einen Golf bekommen." Wäre Jürgen Weber Autoverkäufer, dann einer von denen, die "nur" Astras in ihrem Sortiment haben. Doch Weber ist Direktor der Realschule Speicher, und die gemeinsame Orientierungsstufe mit der benachbarten Hauptschule ist für ihn der Astra in der Golfklasse. Seit mehr als 30 Jahren gibt es die Speicherer Realschule, und seit über 30 Jahren fehlt dieser Einrichtung etwas, worum Weber andere Realschulen beneidet: eine eigene fünfte und sechste Klasse. Stattdessen werden die Kinder in Speicher, die nach der Grundschule ein Empfehlung für die Realschule bekommen, in der gleichen Klasse unterrichtet wie jene Jungen und Mädchen mit Hauptschulempfehlung. In den Hauptfächern Deutsch, Mathe und Englisch gibt es A- und B-Kurse, ansonsten ist der Unterricht für alle gleich. Was die Eltern betrifft, so wollen sie für ihre Kinder natürlich nur das Beste und deshalb - wenn irgendwie möglich - den Besuch eines Gymnasiums. Das ist auch der Grund, warum viele Schüler im Einzugsgebiet der Speicherer Realschule mit Gymnasiums-, aber auch Realschulempfehlung nach Bitburg, Wittlich oder Trier gehen. "Wir bekommen oft Rückmeldungen von Eltern, die eine andere Schule bevorzugen", sagt Weber. Deshalb bemüht er sich seit langem um eine eigene Orientierungsstufe, also eine fünfte und sechste Klasse, so dass auch Speicherer Schüler die Möglichkeit hätten, nach Klasse 6 auf ein Gymnasium zu wechseln. Der Kreis Bitburg-Prüm als (Kosten-) Träger und die Hauptschule Speicher unterstützen das Vorhaben, doch eine Zusage aus Mainz blieb bisher aus.Umfrage fällt eindeutig für Speicher aus

Um diese zu beschleunigen, gab es in den vergangenen Monaten mehrere Informationsveranstaltungen und im Anschluss an einen der Elternabende eine schriftliche Umfrage, mit der eindeutigen Tendenz, dass die meisten Eltern ihre Kinder mit Realschul-Empfehlung eher nach Speicher als Trier, Wittlich oder Bitburg schicken würden, wenn die Realschule eine eigene Orientierungsstufe hätte. Mit dem Ergebnis der Befragung reiste dann eine Delegation Ende November nach Mainz, darunter auch Schulelternsprecher Armin Schuh. "Ich habe das Gefühl, dass es denen in Mainz gar nicht so sehr um den Elternwillen geht, sondern mehr um die Durchsetzung landespolitischer Vorgaben", sagt Schuh, der feststellen musste, dass die Umfrage beim Mainzer Bildungsministerium nur wenig Eindruck hinterließ. Die Umfrage sei manipulativ gewesen, habe es dort geheißen - eine Reaktion, über die sich der Schulternsprecher sehr geärgert hat und deshalb jetzt eifrig Unterschriften für einen Offenen Brief an Ministerpräsidenten Kurt Beck sammelt. "Bitte unterstützen Sie uns in unserem Anliegen, dessen Nichtbeachtung im letzten Jahr bereits viel Unmut und Unverständnis in der Bevölkerung ausgelöst hat", heißt es darin. Von Nichtbeachtung kann nach Ansicht von Herbert Freis aus dem Mainzer Ministerium nicht die Rede sein - um eine Lösung sei man auch in der Landeshauptstadt bemüht. "Es soll schon so rasch wie möglich entschieden werden", sagt Freis, "allerdings nach sachlichen Kriterien." Er nehme das Anliegen sehr ernst, doch mit der Vorgehensweise, durch Unterschriftenaktionen und Briefe an den Ministerpräsidenten eine Lösung herbeizuführen, sei er alles andere als froh. Natürlich spiele auch der Elternwille eine Rolle, sagt Freis, doch solle nichts überstürzt werden. "Ich mache mir Sorgen, dass die Speicherer den Ast absägen, auf dem sie sitzen."

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