Der "andere" Wallraff steht auf Stein

WEISSENSEIFEN. Unangekündigt – wie immer – hat der Journalist Günter Wallraff diesmal das Symposion Weißenseifen besucht. Dort lernten die Teilnehmer einen ganz anderen Wallraff kennen. Der vor allem durch seine Aufdeckungs-Reportagen bekannte Journalist hat in Köln eine faszinierende Natur-Steine-Ausstellung aus eigenen Fundstücken zusammengestellt.

Kommt er oder kommt er nicht? Als besonderes Bonbon für die Symposionbesucher in Weißenseifen hatte sich Journalist Günter Wallraff bereit erklärt, den Kunstschaffenden etwas über seine Steine zu erzählen. Nachdem sich das Gewitter verzogen hatte, stand er plötzlich da, im Gepäck nicht nur einen Film über seine Steine-Ausstellung, sondern auch eine Sporttasche. Schließlich war der Marathonläufer privat hier und wollte im Wald erstmal eine Runde drehen. Günter Wallraff - diesen Namen verbindet man vor allem mit Aufklärungsjournalismus. Bekannt wurde der 1942 in Burscheid bei Köln geborene Wallraff mit seinen Industrie-Reportagen, seinen Einsätzen als Mitglied des Solidaritätskomitees für politische Gefangene in Griechenland, seine Berichte aus der Bild-Redaktion und seine Erfahrungen, die er in der Rolle einer Hilfskraft bei McDonalds, als Leiharbeiter auf einer Großbaustelle und als Türke Ali Levent gemacht hat. In Weißenseifen lernte man einen ganz anderen Wallraff kennen. Vor etwa zehn Jahren begann er, von seinen Reisen Steine mitzubringen. "Ich bin kein Sammler", stellt er klar. Das sei nicht kreativ. Außerdem wollten Sammler immer alles komplett haben. Er sei auch kein Esoteriker und glaube nicht an die Heilkraft von Steinen. "Ich bin ein Suchender, der nie etwas Absolutes gefunden hat", sagt er. Dabei sei die Suche selbst für ihn das Allerwichtigste. Was Wallraff in Köln ausstellt, sind keine Edelsteine, sondern von der Natur geformte "Kunststücke". Und die sind außerordentlich faszinierend. Schon einige Bildhauer hätten vor seinen Funden gestanden und gestaunt. In der Tat erscheint es unglaublich, dass diese Steine nicht von menschlicher Hand sondern durch Wind, Wasser, oder andere Naturelemente geformt worden sind. Aus "wieder-holbaren" Steinen, wie zum Beispiel angeschwemmten Flusskieseln, formt Wallraff Mobiles. Schätzungsweise 1000 Steine hat er in einer Ausstellung in Köln-Ehrenfeld zusammengetragen. Etliche Fundstücke liegen noch in Depots im Ausland. Wo der Weltenbummler seine bizarren Stücke findet, will er nicht verraten. "Auf jeden Fall auf dieser Erde", sagt er und lächelt verschmitzt. Ein bisschen besessen ist der Kölner auf jeden Fall, wenn nicht gar süchtig. Dazu steht er. Ein Bekannter habe ihm mal eine falsche Spur gelegt. Wallraff habe lediglich ein Foto von einem Fundort in Händen gehabt. Über ein halbes Jahr habe er gesucht - und mit akribischer Recherche auch den Ort gefunden. "Das war mein Glückserlebnis", sagt er. Seine Leidenschaft für Steine verwundert manch Eingeborenen. "Habt ihr keine Steine in Deutschland?", haben sie ihn gefragt. Steine geben ihm Kraft und Zuversicht

Seine Ausstellung ist ansehnlich, dies beweist ein Film, gedreht von Sascha Roissant und Saba Kamgar von der Uni Köln. Darin erzählt der "andere" Wallraff, warum ihn Steine so faszinieren. "Steine geben einem über ihre natürliche Ästhetik neue Kraft und Zuversicht." Er hätte gerne in der Steinzeit gelebt, sagt er, und verspüre eine magische Anziehung zu Indianerstämmen am Amazonas, die noch völlig ursprünglich lebten. "Das ist wie Familienzusammenführung, wenn ich dort bin", sagt er. Vorerst bleibt er aber in Köln wohnen. Nächstes Reiseziel ist Tschetschenien, wo er zusammen mit dem ehemaligen Bundes-Sozialminister Norbert Blüm und Rupert Neudeck, Gründer der Cap Anamur, auf Friedensmission geht. Wird man also wieder von ihm lesen? Dazu Wallraff: "Ich mache vieles, was sich nicht in Veröffentlichungen niederschlägt, aber dennoch viel bewirkt." Die Steine-Ausstellung von Günter Wallraff in Köln-Ehrenfeld kann nach Anmeldung von Gruppen besichtigt werden. Anmeldung per E-Mail bei guenter.wallraff@koeln.de.

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