Die Angst am Fuß der Schleuse

Um den unteren Prümverlauf vor Hochwasser zu schützen, wurde vor fast 40 Jahren der Stausee Biersdorf geplant. Wenn es um Sinn und Handhabung der Talsperre geht, gehen die Meinungen auseinander - und das spätestens seit dem großen Hochwasser Anfang 2003, als innerhalb weniger Stunden die Prüm dramatisch angestiegen war.

 In zwei Wochen soll der Pegel im Stausee Biersdorf wieder sinken. Bei diesem Wechsel von Sommer- auf Winterstau wird der Wasserspiegel bis zu zweieinhalb Meter gesenkt, um bei drohendem Hochwasser Rückstaukapaziäten zu haben. TV-Foto: Uwe Hentschel

In zwei Wochen soll der Pegel im Stausee Biersdorf wieder sinken. Bei diesem Wechsel von Sommer- auf Winterstau wird der Wasserspiegel bis zu zweieinhalb Meter gesenkt, um bei drohendem Hochwasser Rückstaukapaziäten zu haben. TV-Foto: Uwe Hentschel

Biersdorf/Brecht/Hermesdorf. Wenn es im Haus von Brigitte Nickels etwas gibt, dass sie auch mit verbundenen Augen finden würde, dann ist das die Taschenlampe in ihrem Nachtschränkchen. Darauf möchte sie nicht mehr verzichten, sagt die Frau aus Hermesdorf. Denn was es bedeutet, ohne Strom im Dunkeln zu sitzen, weiß sie seit den frühen Morgenstunden des 3. Januars 2003. Mülltonnen schwimmen nachts im Hof

Doch war das Schlimme an dieser Nacht zunächst nicht die fehlende Elektrizität, sondern die Ursache für den Stromausfall. "Ich habe damals gedacht, die Staumauer wäre gebrochen", sagt Brigitte Nickels, die gegen 1 Uhr durch die bereits im Hof schwimmenden Mülltonnen geweckt wurde. Zu diesem Zeitpunkt stand das Wasser bereits drei bis vier Zentimeter in ihrem Haus. 20 Minuten später reichte es ihr fast bis ans Knie. Kein Strom, kein Telefon, keine Verbindung zur Außenwelt. Und während die Bewohner der höher gelegenen Nachbarhäuser noch trockenen Fußes im Bett lagen, stand Brigitte Nickels knietief in der eiskalten braunen Brühe, versuchte zu retten, was zu retten war, und bangte um ihr Leben. "Ich dachte, jetzt ist es vorbei", sagt sie. Bis schließlich irgendwann die Feuerwehr kam. Für den unermüdlichen Einsatz der freiwilligen Helfer in dieser Nacht und die Unterstützung von Bürgern aus Hermesdorf in den Tagen und Wochen danach könne sie sich gar nicht genug bedanken. Den Glauben in die Wirkung der Staumauer hat sie jedoch verloren. Auch Matthias Heinz aus Brecht wohnt an der Prüm. Seit Jahren ärgert er sich über die Staumethode, vergleicht regelmäßig die Pegelstände von See und Prüm und dokumentiert alles. "Anstatt bei drohendem Hochwasser so viel ablaufen zu lassen, dass man es unterhalb noch verkraften könnte, wird viel zu früh gestaut", sagt Heinz, "und wenn dann die Hochwasserspitze kommt, sind keine Kapazitäten mehr da." Was auf der einen Seite reinlaufe, komme auf der anderen Seite wieder raus. Heinz ist davon überzeugt, dass auch das Hochwasser von 2003 hätte vermieden werden können, wenn das Hochwasser damals anders reguliert worden wäre."Mit dieser zweiten Hochwasserspitze hatte kein Mensch gerechnet", sagt Matthias Christen, technischer Ingenieur der VG-Werke Bitburg-Land, die 2002 die Betriebsführung des Stausees übernommen hat. Den Vorwurf, das Wasser werde bei beginnendem Hochwasser zu früh gestaut, weist er zurück. Während des Winterstaus sei die mittlere Stauklappe komplett offen. Doch da diese vergleichsweise schmal sei und sich die beiden äußeren Klappen nicht weit absenken ließen, staue sich der See bei viel Niederschlag oder Schmelzwasser automatisch. "Das ist technisch gar nicht anders möglich", fügt Christen hinzu. Auf die Frage, ob die Talsperre vor 40 Jahren möglicherweise falsch konzipiert worden sei, weiß er jedoch keine Antwort. "Damit habe ich mich noch nie beschäftigt", sagt er. Wenn allerdings wie in der Nacht zum 3. Januar 2003 bis zu 150 Kubikmeter Wasser pro Sekunde fließen, "dann können wir mit dem Ding ohnehin nichts mehr machen". Dass in solchen Situationen das Wasser ungebremst die Prüm und der Sinn der Staumauer damit den Bach runterläuft, ist für Matthias Heinz unbegreiflich. Schließlich sei das Bauwerk doch eigens für den Hochwasserschutz errichtet worden.

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