Die Männer mit der großen Glocke

Wenn es um Altmetall geht, macht sich die hohe Nachfrage aus Fernost dank eifriger Schrotthändler aus Trier auch in der Eifel bemerkbar. Immer wieder verschwinden Gegenstände in der Schrottpresse, weil sie zu nah an der Straße gestanden haben.

 Und Tschüss: Wenn die Schrottsammler unterwegs sind, können Gegenstände, die zu nah an der Straße stehen, schnell den Besitzer wechseln. TV-Foto: Uwe Hentschel

Und Tschüss: Wenn die Schrottsammler unterwegs sind, können Gegenstände, die zu nah an der Straße stehen, schnell den Besitzer wechseln. TV-Foto: Uwe Hentschel

Bitburg. Der Mensch neigt aus Erfahrung dazu, auf gewisse Geräusche mit entsprechendem Verhalten zu reagieren. Vor allem im ländlichen Raum. Wenn die Glocke mittags läutet, steht das Essen auf dem Tisch, wenn es mittwochnachmittags hupt, steht die "Muh" vor der Tür, wenn es donnerstags klingelt, ist es der Bäcker, und was sich freitags hupend oder klingelnd ankündigt, ist der "Heiko". Von Ort zu Ort mögen die Tage und Uhrzeiten variieren, doch wenn ein bestimmter Klang ertönt, spielen Zeit und Raum keine Rolle mehr. Es ist die Glocke des Schrotthändlers oder vielmehr die seines Beifahrers, die vor allem Fahrradbesitzer zusammenzucken lässt. Und der Bitburger Polizeihauptkommissar Klaus Schnarrbach weiß auch warum: "Wenn ältere Fahrräder am Fahrbahnrand abgestellt sind, dann werden diese einfach auf den Schrotttransporter verladen." Doch nicht nur Fahrräder. "Alles, was in der Nähe zur Straße steht, wird dabei mitgenommen", sagt Schnarrbach, "egal, ob es Schrott ist oder noch funktionsfähig."Die hohe Nachfrage in China und der ständig steigende Schrottpreis machen sich auch hier bemerkbar. Fast täglich fahren läutende Ich-AGs mit schrottreifen Kleinlastern durch die Straßen und laden Dinge auf, die wenig später vermisst werden. In Orsfeld war es vor wenigen Wochen eine Zapfwelle, die an einen Schuppen angelehnt war, in Wolsfeld waren es 200 Meter Starkstromkabel, in Gindorf zwei Zentner Dachbleche und in Körperich sogar eine dreiteilige Egge, die mitgenommen wurde. Schrott ist Geld, genau wie Zeit, weshalb die Männer aus Trier-Nord und -West bei ihrem Einsatz für Fernost im Zweifelsfall lieber schnell aufladen, statt den Eigentümer zu fragen. "Die packen ihren LKW gut voll"

Diese Erfahrung hat vor Kurzem auch ein Mann aus Wißmannsdorf gemacht, der seinen Rasenmähertraktor im Zuge der Frühjahrswartung zerlegt hatte. Gerne hätte er diesen auch wieder zusammengebaut, doch die Männer mit der Glocke waren schneller. So wurde ein Teil, das auf seinem Grundstück lag, einfach aufgeladen, und von dem ehrgeizigen Schrotthändlergespann fehlt der Polizei bis heute jede Spur."Die packen ihren LKW gut voll und laden dann teilweise direkt im Trierer Hafen ab", sagt Schnarrbach, weshalb es oft schwierig sei, "irrtümlich" verladene Gegenstände wiederzufinden. Dennoch empfiehlt der Hauptkommissar, in solchen Fällen die Polizei zu informieren, auch wenn "der subjektive Tatbestand des Diebstahls" nicht immer nachgewiesen werden könne. Denn egal, ob die Schrotthändler mit falscher Annahme oder mit krimineller Energie aufgeladen haben, so müssen sie unabhängig von einer strafrechtlichen Verfolgung für den Schaden dennoch aufkommen. Schließlich sieht ein Mountainbike, egal wie alt und teuer, im Nachhinein nicht mehr so gut aus, wenn es erst lieblos verladen, dann ein paar Häuser weiter von einem zu nah an der Straße geparkten Motorrad verdeckt und schließlich in der Schrottpresse verformt wird. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der verantwortliche Schrotthändler auch ausfindig gemacht wird. Und das ist in vielen Fällen leider nicht der Fall. Damit also aus dem frisch getankten Rasenmäher, dem zum Lackieren abgeschraubten Zauntor oder dem etwas zu wackelig montierten Edelstahlbriefkasten in China kein Kleinwagen gebastelt wird, sollten die Eigentümer Augen und Ohren offen halten und den auf dem Katasteramt festgehaltenen Verlauf der eigenen Grundstücksgrenze nicht überbewerten. Den interessiert in Peking ohnehin keinen. Und in Trier auch nicht.

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