Die Professur schlug er aus

PRONSFELD/BUTZWEILER/WIERSDORF. Dr. Nikolaus Kyll gilt als einer der namhaftesten Volkskundler im gesamten Rheinland. Doch er blieb stets seinem geliebten Beruf treu: Priester. Selbst einen Ruf als Professor für Kirchengeschichte nach Trier schlug er aus.

Bodenständigkeit, Heimatliebe und wahre Seelsorge - das waren die Merkmale des Eifelpriesters, der 1904 in Algringen/Lothringen als Sohn eines Arbeiters zur Welt kam. Nach seinem Abitur trat der junge Nikolaus in das Priesterseminar Trier ein. Doch der Krieg verhinderte ein kontinuierliches Arbeiten in der Seelsorge. Kyll wurde als Sanitäter eingezogen und kehrte erst 1948 aus russischer Gefangenschaft nach Hause zurück. Kriegsjahre und Gefangenschaft prägten den jungen Priester, ihn zog es als Eifelpfarrer zu den Menschen. 1949 trat er seine Pfarrstelle in Pronsfeld an, wo er bis 1957 wirkte. Ein Büro wie eine Uni-Bibliothek

Zusammen mit dem Ärzte-Ehepaar Elisabeth und Hans Müller tat Kyll viel Gutes für die Menschen. Reparaturen an den beiden Gotteshäusern und die Neuanlage des Friedhofes lagen ihm am Herzen. Daneben setzte er immer wieder seine Forschungsarbeiten fort, studierte wissenschaftliche Schriften und verfasste Aufsätze in Zeitschriften und Zeitungen. In seinem Büro sah es aus wie in einer Uni-Bibliothek. Bücher, Bücher, Bücher... "Hier geht es zu wie bei Dichters", pflegte er zu sagen. Forschungsgegenstände waren Regino von Prüm, Hexenprozesse im Prümer Land, Bauernleben, Besiedlung der Westeifel, die Glocken im Wetterglauben und vieles mehr. Kylls Veröffentlichungen reichen von der Archäologie und Siedlungsgeschichte über kirchenhistorische Arbeiten bis zur Volkskunde. Ein Schwerpunkt war das bäuerliche und kirchliche Eifelbrauchtum. Als Sohn der Eifel war ihm das nicht fremd - im Gegenteil. Der kleine Nikolaus sah aufmerksam zu, wenn es in seinem Heimatdorf Wiersdorf etwas zu feiern gab oder Brauchtum sein Herz höher schlagen ließ. Kyll war ein interessanter und interessierter Mann. Für alle war er ein Ansprechpartner in seelsorglicher Hinsicht. Er wusste zu trösten: "Kommt, Jungs, wir haben einen schweren Gang, aber wir packen's", äußerte er zu den Messdienern vor einer Beerdigung. Für die Schulkinder war er in den 50-er Jahren eine Art Vaterfigur. Man schätzte sein Wissen, hatte Respekt, aber nie Angst. Kyll war ein Herzensmensch. Oft ging es hinaus in den Distrikt "Auf Kuhborn", wo man mit "Schepp un Hack" archäologische Spuren suchte. Er wusste: Hier gab es einst eine römische Saalhausvilla. Was hätte uns Jungs damals mehr anspornen können? Für jeden hatte Kyll ein offenes Ohr, gab Ratschläge und freute sich an Feiern, Festen und dem gelebten Brauchtum. Seine Nähe zu den Menschen - nie kehrte er die Amtsperson hervor - gab ihm und den Leuten "eine intime religiöse Sicherheit" (Zitat Matthias Zender). Weite Reisen mochte er ebenso wenig wie Ehrungen. Dennoch erhielt er 1967 - Kyll war jetzt Pastor in Butzweiler - eine bedeutende Auszeichnung: das vom Landschaftsverband Rheinland verliehene Albert-Steeger-Stipendium. Kyll liebte seine Eifel, die Kultur und Sprache. Ihm ist es zu verdanken, dass neben den wissenschaftlichen Abhandlungen auch das kleine, dörfliche Leben sein Eigenrecht besaß. Viele unveröffentlichte Aufsätze

Er kannte Lieder, Redensarten, Sprüche, Flüche, Verse, Gedichte, Schüttelreime auswendig und erzählte sie zu entsprechenden Anlässen. Ein Glück nur, dass er nicht vergaß, sie auch aufzuschreiben. Eine Fundgrube sind auch die vielen unveröffentlichten Aufsätze, Aufzeichnungen und Chroniken. Am 23. Mai 1973 starb der Eifelfreund Kyll. Seine Beerdigung im Geburtsort Wiersdorf führte Menschen aus der gesamten Eifel zusammen. Kyll ist in Pronsfeld, Wiersdorf und Butzweiler unvergessen.

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