Die Suche nach dem ultimativen Kick

ST. VITH/WINTERSPELT. Das Ourtal an der deutsch-belgischen Grenze hat sich offensichtlich zu einem internationalen Geheimtipp der so genannten "Base-Jumper" entwickelt. Diese Extrem-Sportler stürzen sich mit Gleitschirmen von Türmen, Hochhäusern oder Brücken.

 Trügerische Idylle: Auf dieser Wiese direkt am Grenzfluss Our landen meistens die Gleitschirm-Flieger, die sich von der A 60/A27 in die Tiefe stürzen. Dann packen sie die Schirme ins Auto und verschwinden.Foto: Marcus Hormes

Trügerische Idylle: Auf dieser Wiese direkt am Grenzfluss Our landen meistens die Gleitschirm-Flieger, die sich von der A 60/A27 in die Tiefe stürzen. Dann packen sie die Schirme ins Auto und verschwinden.Foto: Marcus Hormes

Sonntagnachmittag in dem kleinen Weiler Steinebrück. Friedlich plätschert die Our durch das idyllische Tal. Die Straße über die Brücke führt am alten Zollamt vorbei, verbindet den Ortsteil der deutschen Gemeinde Winterspelt mit dem Ortsteil der belgischen Gemeinde St. Vith. Rund 80 Meter entfernt erheben sich die mächtigen Pfeiler der Ourtal-Autobahnbrücke. 24 Stunden zuvor herrschte hier noch große Aufregung: Zahlreiche Einsatzfahrzeuge der Feuerwehren Prüm, Bleialf und Winterspelt, des DRK Prüm und der Polizei schwärmten aus, um nach Suizid-Gefährdeten zu suchen. Doch in Wirklichkeit hatten sich zwei Gleitschirm-Flieger in die Tiefe gestürzt und waren nach der Landung sofort geflüchtet. Denn solche Sprünge sind nur in dafür ausgewiesenen Gebieten (etwa von speziellen Absprungrampen) sowie aus Flugzeugen erlaubt."Bis irgendwann etwas Schreckliches passiert"

"Ich habe hier schon mehrfach junge Männer am Gleitschirm herunterspringen gesehen", berichtet eine Spaziergängerin. "Das sind immer drei oder vier Leute, die flämisch oder niederländisch sprechen. Das geht so lange gut, bis irgendwann mal etwas Schreckliches passiert." Die Aktion vom Samstag war also kein Einzelfall. Das bestätigen Einwohner von Steinebrück. Doch die Meinungen über das Risiko gehen auseinander. In der örtlichen Gaststätte versuchen Wirt und Gäste die lebensgefährliche Praxis herunter zu spielen: "Hier springen ständig Leute runter, aber denen ist noch nie etwas passiert. Am besten, Sie schreiben gar nichts und lassen die Sache auf sich beruhen." Aha. Das also meinte die Prümer Polizei mit der Andeutung, die Anlieger seien wenig kooperativ bei der Aufklärung des Sachverhalts. Wir fragen, ob die Springer denn einfach über die Autobahn laufen sollen. "Nein, dass ist nicht gut", gestehen die Gäste ein. "Aber im Flug lässt sich der Schirm gut in die Richtung steuern, in die der Sportler will." Im übrigen schaue die belgische Polizei hin und wieder mal vorbei, ohne das sich etwas ändere. Am Samstag jedenfalls sei überhaupt niemand gesprungen. Dem widerspricht ein anderer Anlieger, der die Szenerie aus bester Lage beobachten kann: "Natürlich sind die am Samstag gesprungen, und am Sonntag gab es auch Sprünge. Bei gutem Wetter ist hier fast jedes Wochenende Betrieb." Die Stelle habe sich anscheinend in den einschlägigen Kreisen herumgesprochen. Aus den Niederlanden und sogar aus England kämen die Base-Jumper nach Steinebrück."Dieser Sache muss man nachgehen"

Winterspelts Ortsbürgermeister Hubert Tautges reagiert dagegen überrascht: "Ich habe am Samstag zum ersten Mal davon gehört. Einige Bürger haben mir bestätigt, was da abläuft. Dieser Sache muss man nachgehen." Auch die Prümer Polizei betrat am Wochenende weitgehend Neuland. "In unserem Beritt kennen wir so etwas bisher nicht. Die Kollegen in St. Vith haben wohl mehr damit zu tun", sagt ein Beamter. Absprung- und Landestelle liegen auf belgischer Seite. Die Polizeistation in St. Vith ist sonntags nicht besetzt. "Ja, solche Sprünge kommen leider immer wieder vor", heißt es bei der Leitstelle in Eupen. "Auch die Straßenverwaltung hat das schon angezeigt. Wir können Streife fahren, sind aber auch auf Zeugenaussagen angewiesen." Das weitere Vorgehen müsse ab Montag mit den Kollegen in St. Vith geklärt werden.

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