Ein Fehltritt wäre fatal gewesen

PRÜM. Nicht zum ersten Mal müssen die Türme der Prümer Basilika St. Salvator saniert werden. Auch vor und nach dem Krieg gab es mutige Männer, die in 60 Meter Höhe Hand anlegten. Einer von ihnen war Maurermeister Kaspar Thürwächter.

"In der Kirche waren die Pfeiler schwer beschädigt. Sie hatten starke Risse. Und in die Türme waren Granaten eingeschlagen." Kaspar Thürwächter, Maurermeister, Straßenbaumeister, Zweiter Vorsitzender des Geschichtsvereins, Pressewart des Förderkreises Basilikafreunde und seit 1990 freier Mitarbeiter beim Trierischen Volksfreund, erinnert sich genau. Er war gerade einmal 17 Jahre alt, als er nach der Evakuierung aus dem Westerwald in seine Heimatstadt zurückkehrte und vor einem riesigen Trümmerhaufen stand. Auch die Basilika hatte es schwer erwischt, also musste gehandelt werden. Über Leitern statt auf Gerüsten

Bereits im Juni 1945 machten sich deshalb Arbeiter der Bauunternehmung Trost, die Dachdecker-Firmen Liesenfeld und Dietzen sowie die Zimmerleute Floss aus Schönecken zügig ans Werk. Denn auch im Inneren der Kirche gab es Handlungsbedarf. "Damit es den Leuten nicht auf den Kopf regnete, ordnete Pastor Johannes Theis zunächst das Aufstellen einer Baracke in der Kirche an", weiß Kaspar Thürwächter, der damals allerdings noch nicht ahnte, dass ein halbes Jahr später, kurz vor der Christmette am Heiligen Abend, das Mittelschiff zusammenbrechen und diese Notunterkunft für die Gläubigen unter sich begraben sollte. Dass dabei niemand verletzt wurde, bezeichnen die Prümer auch heute noch als "Wunder der Christnacht '45". Bis es zu diesem Wunder kam, hatten Maurerlehrling Kaspar Thürwächter und etliche seiner Kollegen die Türme allerdings schon notdürftig in Stand gesetzt. Unterhalb der Helme mussten sie Löcher, die die Granateinschläge hinterlassen hatten, reparieren. "Damals gab es noch keine Stahlrohre; wir haben mit den primitivsten Mitteln gearbeitet", erzählt Thürwächter mit anerkennendem Blick auf das aktuelle Gerüstbauwerk. Jedes einzelne Stück Holz, jeder Stein und jedes Brett habe man seinerzeit über Leitern hinauf zu den Türmen schaffen müssen. Es habe weder eine Rolle, noch einen Flaschenzug gegeben, weil so lange Stricke gar nicht existiert hätten. Von einem Aufzug ganz zu schweigen… Schwindelfrei, mit Mut und Glück

In 60 Metern Höhe befestigten die Arbeiter ihre Rundhölzer, die sie in den Trümmern gefunden hatten, mit Telefonkabeln, die die Amerikaner zurückgelassen hatten. So entstand ein kleines Gerüst, das den Männern einen Arbeitsplatz, aber nicht allzu viel Sicherheit bot - im Gegenteil: "Es war schon lebensgefährlich", berichtet Kaspar Thürwächter und sagt in der Replik völlig emotionslos: "Man musste schwindelfrei sein und aufpassen, dass man sich keinen Fehltritt leistete. Außerdem brauchte man Mut - und vor allem Glück." Das Ergebnis der Arbeit sei daher auch nicht besonders wirkungsvoll gewesen, weil es schlicht an allem gefehlt habe. "Wir hatten ja zum Beispiel auch keinen Schiefer. Deshalb haben wir einfach Bleche untergeschoben und festgenagelt", erinnert sich Thürwächter. Immerhin: Für Verpflegung war gesorgt. Mittags schlurften die müden Arbeiter in die Gaststätte "Grünes Hütchen". In der Kneipe am Fuhrweg hatte Gretchen Koch ein warmes Essen vorbereitet. Das gab es gratis. Thürwächter: "Geld hatte sowieso niemand. Also spielte es auch keine Rolle." Heute freut sich der 77-Jährige über den Fortschritt der Technik. "Damit kann man schon sehr viel bewirken. Man sieht ja, wie schnell die Arbeiten vorankommen", lobt Thürwächter seine "Nachfolger" auf dem Basilika-Gerüst 2005 und stellt fest: "So etwas wäre damals wirklich nicht vorstellbar gewesen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort