Ein Unglück kommt selten allein

Leben retten, Busse löschen und ganz schnell 1200 Brötchen besorgen. Unsere Reporterin hat auf einer Busreise zu verschiedenen Katastrophen erfahren, was im Fall der Fälle zu tun ist.

Bitburg/Prüm. Plötzlich verrutscht die Ladung, löst sich und fällt vom LKW. Mehrere schwere Betonplatten stürzen über die Brüstung und treffen unten einen Kleinwagen, der ausgerechnet in diesem Moment unter der Brücke durchfährt.

Ein Mensch ist dabei ums Leben gekommen. Seine Leiche ist bereits geborgen. Ein zweiter Mensch sitzt im zermalmten Auto. Eingeklemmt und schwer verletzt, aber lebendig. Mehrere Feuerwehrleute arbeiten fieberhaft.

Ein Stromaggregat rattert, der Lärm wird nur übertönt von den Rufen der Helfer und einem Rettungs-Hubschrauber, der plötzlich in geringer Höhe über dem Geschehen auftaucht. Dann fliegt ein Teil des Autositzes durch die Gegend. Mit einer riesigen Schere schaffen sich die Feuerwehrleute Platz, um den Verletzten aus dem Auto zu ziehen. Jede Minute zählt. Die Gesichter sind ernst. Die Helfer wirken ebenso konzentriert wie angespannt.

Und das, obwohl der Verletzte nur eine Stoffpuppe ist und das ganze Geschehen gespielt - denn es ist ein Teil der Katastrophenschutz-Übung des Eifelkreises Bitburg-Prüm. "Wir wollen alles richtig machen", sagt ein junger Mann in Uniform. Denn genau so könne es passieren. Außerdem gebe es Zuschauer, sagt er und blickt erst einen Mann links neben sich an und dann nach oben zur Brüstung. Der Mann neben ihm ist einer von zwei Schiedsrichtern, die beurteilen, ob die Helfer ihre Sache gut machen. Sein Urteil: Es sei gut abgelaufen, allerdings hätte die Rettung im Ernstfall schneller gehen müssen, sagt er. Eine ausführliche Analyse wird folgen.

Oben an der Brüstung stehen Zuschauer, darunter auch der Landrat des Eifelkreises, diverse Bürgermeister, die Chefs der beteiligten Hilfskräfte, hohe Polizisten und Militärangehörige, Presse… Sie reisen mit dem Bus von einer Katastrophe zur nächsten. Und davon gibt es an diesem Tag mehr als genug: ein Busunglück mit 50 Verletzten bei Dudeldorf, in der Kyll entsorgter Giftmüll bei Malberg oder ein großer Düngemittelbrand bei Kyllburgweiler. An jeder Station dieser Reise geben zig, manchmal hunderte ehrenamtliche Helfer ihr Bestes, um die inszenierte Situation in den Griff zu bekommen.

Währenddessen laufen bei der technischen Einsatzleitung, die in der Bitburger Feuerwehr eingerichtet wurde, und dem Krisenstab in der Kreisverwaltung die Drähte heiß. Dort werden Lagen beurteilt, Entscheidungen getroffen, Hilfskräfte alarmiert, Fahrzeuge angefordert und blaue Zettel aufgespießt. Denn auch wenn im Kreis die Katastrophe tobt muss Ordnung herrschen.

"Der Auftraggeber füllt den Nachrichtenvordruck aus. Er behält den blauen Zettel und leitet alle weiteren Durchschläge an die Fernmeldebetriebe weiter", steht auf einem Schild an der Wand der Einsatzleitung. Ein Telefon klingelt. Kurz darauf bittet ein Uniformierter um Ruhe. Die Nachricht vom Busunglück bei Dudeldorf ist eingetroffen.

Als die Katastrophen-Touristen dort ankommen, sind immer noch zig Einsatzwagen vor Ort. Doch das meiste ist schon erledigt. Der brennende Bus, symbolisiert von einem roten Autowrack, ist gelöscht. Auch die meisten Verletzten sind versorgt und auf die Krankenhäuser der Region verteilt worden.

Nur in den beheizten Zelten hinter dem Schneefeld-Szenario liegen noch ´Menschen auf Bahren. Um sie kümmert sich eine der beiden Schnelleinsatzgruppen des Landkreises. Jede dieser Gruppen hat drei aufblasbare Zelte. "Die stehen innerhalb von eineinhalb Minuten", sagt Wolfgang Rieder, der Kreisgeschäftsführer des DRK, stolz. Er ist der Chef der insgesamt 128 Rot-Kreuz-Sanitäter, die mit acht Notärzten bei Dudeldorf bereits seit Stunden Lebenretten spielen. Und zwar mit Liebe zum Detail: Die wie echt verletzt aussehenden Darsteller werden mit echten Verbänden versorgt, in aufgeklappten Metallkoffern liegen echte Spritzen und Medikamente und wenn die Presse das alles fotografieren will, wird sie schon mal zurückgewiesen. "Keine Bilder von Verletzten", heißt es. Während die echte Presse dann noch fotografieren darf, hält die simulierte Presse das Büro für Öffentlichkeitsarbeit auf Trab. Reporter wollen wissen, wie viele Tote es bei dem (nur in der Theorie simulierten) Flugzeugabsturz in Niederweis gegeben hat… Arbeit, von der draußen bei Dudeldorf niemand etwas mitbekommt.

Ebenso wenig wie von jener in den beiden Feldküchen des DRK in Bitburg, wo für 600 Leute Erbsensuppe gekocht wird. 1200 Brötchen mussten innerhalb Stunden herangeschafft werden. Nur eine der schwierigen Aufgaben, die die rund 600, überwiegend ehrenamtlichen Einsatzkräfte, im Laufe dieses langen Samstags der Katastrophen zu lösen hatten.

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