Ein Weg zurück in die Gemeinschaft

Bollendorf · Beim Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus in Bollendorf, zu dem Angehörige aus der ganzen Welt angereist sind, werden eine Gedenktafel enthüllt und 18 Stolpersteine verlegt. Dabei gibt es auch einen kleinen Tumult.

 Während Barbara Kemmer über das Schicksal von Daniel, Ernestine, Ilse und Günter Leopold Levy erinnert, lässt Gunter Demnig die Steine für die Familie Levy in den Boden ein. TV-Fotos (2) : Maria Adrian

Während Barbara Kemmer über das Schicksal von Daniel, Ernestine, Ilse und Günter Leopold Levy erinnert, lässt Gunter Demnig die Steine für die Familie Levy in den Boden ein. TV-Fotos (2) : Maria Adrian

Foto: (e_eifel )

Bollendorf "Ich bin der schlimmste Jude von ganz Bollendorf". Dieser Satz stand auf einem Schild, das der Bäcker Daniel Levy um den Hals tragen musste. Er wurde durch das Dorf getrieben und schwer geschlagen. Das war 1938 in der Reichspogromnacht. Heute, 79 Jahre später, erinnert Barbara Kemmer vom Arbeitskreis jüdische Geschichte Bollendorf an das Schicksal der Familie Levy.
Vor dem einstigen Wohn- und Geschäftshaus der Levys in der Lindenstraße 10 haben sich etwa 60 Menschen eingefunden, um bei der Enthüllung der Gedenktafel und bei der Verlegung von 18 Stolpersteinen für die Opfer des Nationalsozialismus dabei zu sein. Ortsbürgermeister Rolf Stump hatte zuvor die Teilnehmer des Gedenktags begrüßt. "Bäcker Dany", wie der Jude in Bollendorf genannt wurde, konnte mit seiner Familie flüchten, so berichtet Kemmer weiter und begrüßt schließlich die Enkeltochter von Melanie und Daniel Levy, Suzanne Tarica. Sie ist aus den USA nach Bollendorf gereist, um der Gedenkveranstaltung beizuwohnen. Mit belegter Stimme bedankt sie sich für das Engagement und die Gedenktafel. Aus den Vereinigten Staaten ist neben Suzanne Tarica auch Nelly Kahn nach Bollendorf gekommen sowie ihr Bruder Jean Grumbach aus Jerusalem und ihre Schwester Janine Taille aus Frankreich. Sie sind Kinder von Helene Grumbach, der Tochter von Rosa Levy, die in Bollendorf lebten.
Wie Barbara Kemmer in ihre Ansprache betont, ist es dem Arbeitskreis wichtig, dass auch die Menschen, die durch Flucht ihr Leben retten konnten, als Opfer des NS-Regimes anerkannt werden. Deshalb werden in Bollendorf an diesem Gedenktag nicht nur Stolpersteine für ermordete Menschen verlegt sondern auch für Überlebende des Holocaust. "Sonst würde man Familien auseinanderreißen", ist auch die Auffassung von Künstler Gunter Demnig, der nach Enthüllung der Gedenktafel die Stolpersteine verlegt. Auf diese Weise kommt auch in gewissem Sinne die Familie von Betty Goldschmidt, geborene Levy, wieder in Bollendorf zusammen. Betty konnte mit 17 Jahren von Bollendorf mit einem sogenannten Kindertransport über Köln nach London fliehen.
Ihre Eltern starben allerdings in Theresienstadt und Auschwitz. Ihr Bruder Adolf war bereits 1937 an den Folgen eines ungeklärten Gewaltverbrechens in Bollendorf gestorben. Bettys Kinder Claire und David sind aus London gekommen, und froh, dass nun Stolpersteine zwischen Abteihof und Sauerstaden für ihre Mutter, deren Bruder und Eltern verlegt werden.
Dass der Arbeitskreis mit seinen Anliegen auch auf Widerstände stößt, darauf hatte Arbeitskreismitglied Michael Weidert zuvor hingewiesen. Bei der Verlegung der Steine in der Neuerburger Straße gibt es dann einen kleinen Tumult. Hausbesitzer fürchten Haftungsansprüche, falls jemand auf den Steinen ausrutschen würde. Das bringt einen Juden aus Luxemburg in Rage, einige Minuten kochen die Emotionen hoch, bevor weitere Steine verlegt und die Namen der Opfer symbolisch wieder in die Mitte der Gemeinschaft geholt werden können, wie Weidert formuliert. Er und seine Mitstreiter sind sich einig: Sie werden ihre Projektarbeit im Sinne der Opfer fortsetzen.Extra: GUNTER DEMNIG VERLEGT INSGESAMT 60 000 STEINE

 Suzanne Tarica, Enkelin des Bäckers Daniel Levy, freut sich über die Gedenktafel für ihre Familie.

Suzanne Tarica, Enkelin des Bäckers Daniel Levy, freut sich über die Gedenktafel für ihre Familie.

Foto: (e_eifel )


Stolpersteine sind mittlerweile in 1099 Orten Deutschlands zu finden und in 20 Ländern Europas, so ist es auf der Homepage des Künstlers und Initiators Gunter Demnig zu lesen. Demnig selbst sagt, dass er (mit denen in Bollendorf) insgesamt 60 000 Stolpersteine verlegt hat. Außer in Bollendorf sind im ehemaligen Regierungsbezirk Trier Stolpersteine in Bernkastel-Kues, Gerolstein, Greimerath, Hermeskeil, Konz, Pellingen, Saarburg, Talling, Thalfang, Trier und Waldrach verlegt worden.

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