Ein ganzer Ortsteil zu verkaufen

Das Mobilfunkunternehmen O2 will im Neidenbacher Ortsteil Erntehof einen Sendemast aufstellen. Einen Mietvertrag mit der Ortsgemeinde gibt es bereits. Jetzt fühlen sich Anwohner schlecht informiert und befürchten gesundheitliche Gefahren.

 Stummer Protest: An den meisten Häusern im Neidenbacher Ortsteil Erntehof steht ein Schild mit der Aufschrift „zu verkaufen“. TV-Foto: Rudolf Höser

Stummer Protest: An den meisten Häusern im Neidenbacher Ortsteil Erntehof steht ein Schild mit der Aufschrift „zu verkaufen“. TV-Foto: Rudolf Höser

Neidenbach-Erntehof. Der Neidenbacher Gemeinderat hat im März einem Mietvertrag zwischen der Ortsgemeinde und dem Mobilfunkunternehmen O2 zugestimmt.

Rückbauklausel im Vertrag schon vorgesehen



Für die Dauer von 30 Jahren soll dem Unternehmen gestattet werden, einen 46,50 Meter hohen Sendemast aufzustellen und zu betreiben. Bestandteil des Vertrages ist auch eine Vereinbarung, nach der bei Nachweis einer gesundheitlichen Schädigung der Anwohner durch diese Anlage das Unternehmen verpflichtet ist, den Sendebetrieb sofort einzustellen. Regelmäßig angepasste Mieterhöhungen und eine Bankbürgschaft für den Fall, dass das Unternehmen nicht mehr existiert, sind ebenfalls enthalten. Damit könnte ein Rückbau finanziert werden.

Jetzt liegt der Ortsgemeinde der Bauantrag vor. "Wir werden in Kürze eine Gemeinderatsitzung einberufen und in öffentlicher Sitzung hierüber beraten und beschließen", teilte Ortsbürgermeister Josef Mayer auf Nachfrage mit.

Unterdessen hat sich die Bürgerinitiative "Nicht mit uns" gebildet. "Aus begründeter Besorgnis um unsere Gesundheit und die unserer Kinder und Tiere und vor dem Hintergrund eindeutiger wissenschaftlicher Ergebnisse über die Gesundheitsgefahren von UMTS-Sendeeinrichtungen sprechen wir uns mit Nachdruck gegen den Bau des Sendemastes aus", sagt Sonja Käpper. Sie wohnt mit ihrer Familie auf dem Altenhof in unmittelbarer Nähe zum Aufstellungsort. Mit der Bürgerinitiative hat sie bisher 53 Unterschriften von Gegnern gesammelt. Kürzlich fand auf deren Einladung im Gasthaus Mereien in Neidenbach eine Informationsveranstaltung statt. Hier hat der Baubiologe und Umweltanalytiker Jürgen Fell aus seiner Sicht informiert.

Vorsorglich haben Anwohner schriftlich mitgeteilt, dass sie gegenüber der Gemeinde grundsätzliche Schadenshaftungsansprüche geltend machen. Im Ortsteil Erntehof dokumentieren die Menschen ihren Widerstand mit einer symbolischen Handlung: An nahezu allen Häusern befindet sich ein Schild mit der Aufschrift: "zu verkaufen".

Meinung

Unsichtbares sichtbar machen

Unsichtbares macht mehr Angst als Sichtbares: Deshalb schlagen die Wellen oft besonders hoch, wenn es um Funkwellen geht, also um Mobilfunk-Masten und deren Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen und Tieren. Die Besonderheit an dieser modernen Gefahrenquelle ist, dass die tatsächliche Größe der Gefahr nach wie vor nicht wirklich bewiesen ist. Die Gegner halten sie für belegbar groß, die Befürworter für belegbar klein. All das ist bekannt. Umso wichtiger ist es, dass die Verantwortlichen vor Ort von Anfang an offensiv mit dem Thema umgehen, um den betroffenen Bürgern nicht das Gefühl zu vermitteln, sie bekämen einfach etwas vor die Nase gesetzt. Denn dadurch wird der Widerstand zusätzlich befeuert. l.ross@volksfreund.de

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