Eine Japanerin in der Eifel

HERFORST. Japan trifft auf Herforst: Seit 40 Jahren korrespondiert Rosi Nieder aus Herforst mit ihrer Brieffreundin Takako Akimoto. Nun kam die Japanerin zu einem ersten Besuch nach Herforst.

Die Gelegenheit war günstig: Takako Akimoto begleitet ihren Mann Todashi Akimoto auf Geschäftsreise nach Marseille und reist von dort mit ihm nach Deutschland, um Rosi Nieder in Herforst zu besuchen. Nach vierzig Jahren Brieffreundschaft sehen sich die beiden Frauen zum ersten Mal. Eine quicklebendige, zierliche Japanerin sitzt im Wohnzimmer von Rosi Nieder, die eifrig die mitgebrachten Geschenke aus dem fernen Land auspackt. Grüner Tee, ein aus Wurzeln selbst gefärbtes Halstuch und verschiedene Steine sind dabei - eine besondere Freude für die Eifelerin, die seit Jahren Mineralisches aus allen Teilen der Erde zusammenträgt. Erstaunt sind die Herforster Gastgeber beim Blick in eine japanische Zeitung, die die Brieffreundin mitgebracht hat. Aus dem Innenteil blickt ihnen ein bekanntes Gesicht entgegen: André Rieu lächelt von einer Konzert-Anzeige. Der Geiger tritt demnächst in Japan mit seinem Orchester auf. Das Essen wartet, aber Takako hat noch viel zu erzählen. Die beiden Frauen wissen aus unzähligen Briefen viel voneinander und sind sich vertraut, dennoch - das erste Treffen ist überwältigend. Vor allem, als Rosi Nieder einen Brief herumreicht, den sie im Februar 1964 von ihrer Brieffreundin erhielt, ist die Überraschung groß. "Das ist der erste Brief, den Takako mir geschrieben hatte", erzählt die Gastgeberin. Angefangen hatte die ungewöhnliche Freundschaft vor 40 Jahren, als Rosi Nieder die Handelsschule in Wittlich besuchte. Rosis Englischlehrer reichte eine Liste mit Namen herum, um den Schülern die Möglichkeit zu geben, Kontakte zu knüpfen. "Ich wählte Takakos Namen, die damals noch Sato mit Nachnamen hieß", sagt Nieder.Von Privatem bis zur Air Base Spangdahlem

Die Japanerin lebt in Sapporo und arbeitet dort an der Junior Highschool als Beraterin für Schüler und deren Eltern. Ihr Mann ist Professor an der nationalen Universität in Hokaido. In Englisch schrieb man sich, und in Englisch unterhalten sich die beiden auch bei ihrem ersten Treffen. Takako erzählt gerne und viel, nur unterbrochen durch eine Gedankenpause, um die richtige Wortwahl zu treffen. Die drei Kinder der Familie Nieder, die nach und nach eintrudeln, müssen nicht weiter vorgestellt werden: Takako kennt ihre Namen und einiges mehr - aus unzähligen Briefen. Aber es gab in den 40 Jahren auch einmal Funkstille: die Zeit der Familiengründung und die Geburten der Kinder. Da blieb wenig Zeit und Muße. Später kramte Rosi Nieder in alten Briefen und knüpfte wieder Kontakt. Takako lebte nicht mehr zu Hause in Hitachi, einem Ort im Süden der Insel, aber ihre Mutter reichte ihr den Brief weiter, und seitdem sind die Frauen unzertrennlich. "Wir haben uns über alles Mögliche unterhalten", sagt Rosi Nieder. Natürlich auch über Probleme. "Vom Privaten über Politik, Literatur bis hin zu den Amerikanern in Spangdahlem gab es nichts, über das wir uns nicht ausgetauscht hätten." Ereignisse wie die olympischen Spiele in Sapporo oder München habe man regelrecht miteinander erlebt. "Obwohl sie am anderen Ende der Welt lebt, ist es interessant festzustellen, dass wir die gleichen Werte haben", sagt Rosi Nieder. Doch alles kennt die Herforsterin natürlich nicht von ihrer Freundin: "Aus ihren Briefen hätte ich nie erahnen können, dass sie so lebhaft ist." Inzwischen sparen die beiden Frauen das Porto und nutzen das Internet. So werden sie sich schon bald wieder mailen. Denn Takako verbringt nur eine Nacht in Herforst, dann geht es zurück nach Japan. Zuvor aber steht ein Besuch in Trier auf dem Plan, der Stadt, über die Takako schon so viel gelesen hat. Während Rosi Nieder sich bis heute wegen der vielen Naturkatastrophen nicht dazu durchringen konnte, nach Japan zu reisen, möchte Takako nächstes Jahr mit ihrer Tochter wieder nach Deutschland kommen, nach Herforst natürlich.

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