Enttäuschter Sieger im Wechselbad der Gefühle

SALMTAL. Persönlich zufrieden, aber insgesamt enttäuscht: CDU-Direktkandidat Peter Rauen hat einen Wahltag der Kontraste erlebt. Der TV hat den Salmtaler in den entscheidenden Stunden begleitet.

Wo ist Rauen? Ausgerechnet am Wahlsonntag scheint der CDU-Bundestagsabgeordnete abgetaucht zu sein. Am Handy läuft die Mailbox, zu Hause hebt niemand ab. Also muss ich auf gut Glück ins Salmtal fahren.Die Straße "Im Wingertsberg" sagt der älteren Dame, die ich nach dem Weg frage, wenig. "Zu wem wollen Sie denn? Ach, zum Bub! Kein Problem." Zwei Passanten später sichte ich den silbernen Mercedes des 60-Jährigen, der seinen Spitznamen "Bub" auch im reifen Alter behalten hat. Ehefrau Sabine Rauen öffnet die Tür, bittet mich ins Esszimmer. "Wir sind gerade erst nach Hause gekommen, waren heute nur privat unterwegs", erzählt sie beim Salat-Waschen.

Exklusive Geheimzahlen aus der Parteizentrale

Frisch geduscht und gut gelaunt kommt Peter Rauen dazu. Er kämpft sich erst einmal durch die neuesten Postberge: Einladungen, Zeitpläne, Werbung. Dazwischen ein Fax der französischen Zeitung "La Liberté", der Rauen ein Interview gegeben hat. Per Handy teilt er Pressesprecherin Petra Kleining mit: "Der Focus-Journalist kann mich zwischen fünf vor sieben und fünf vor acht anrufen."

Aus dem Konrad-Adenauer-Haus in Berlin kommen exklusive Geheiminformationen für den Spitzenkandidaten. Demnach soll die CDU knapp unter 40 Prozent landen, die SPD bei 32 bis 33, die FDP zwischen zehn und elf. "Dann würde es langen", freut sich Rauen schon auf seine Wunschkoalition Schwarz-Gelb.

Damit hätten sich sechs Wochen Wahlkampf "rund um die Uhr" gelohnt. Sein eigener Wiedereinzug ins Berliner Parlament steht ohnehin nicht wirklich in Frage. Der konservative Wahlkreis und der sichere Landeslistenplatz machen ein Zittern überflüssig.

Neue Leidenschaft für den Golfsport

Am Wahltag selbst lässt es Rauen denn auch traditionell ruhig angehen: "Man hat alles getan, der Wähler hat das Wort. Wir haben ein bisschen Golf gespielt und sind ausgiebig spazieren gegangen." Für den Golfsport hat Fußballfan Rauen inzwischen eine Leidenschaft entwickelt und sich ein respektables Handikap 11 erspielt.

Seinen Ehrgeiz hat das politische Urgestein auch nach fünf Wahlperioden im Bundestag nicht verloren: "Ich habe in allen Gremien an den Entscheidungsbildungsprozessen mitgewirkt. Innerhalb der CDU herrscht Einigkeit. Deshalb können wir die Dinge schnell umsetzen. Arbeitsplätze schaffen, Vorfahrt für Familien mit Kindern erreichen. Ich hoffe, dass wir einen Politikwechsel bekommen."

Bei der ZDF-Prognose Punkt 18 Uhr wechselt jedoch die Gesichtsfarbe des Zuschauers, der es sich rechtzeitig auf der weißen Couch im Wohnzimmer bequem gemacht hat. CDU 37 Prozent, SPD 33, FDP 10,5, Grüne und Linkspartei jeweils 8. Damit würden Schwarz-Gelb sechs Mandate zur absoluten Mehrheit fehlen. Ein Hammer nach all den positiven Umfragen. Sollten sich die Geheiminformationen aus der Parteizentrale als wertlos erweisen?

In Rauens Kopf arbeitet es. Ob er dem gegnerischen Lager zutraut, die Rot-Rot-Grüne Option doch zu ziehen? Ja, obwohl diesem linken Bündnis im Vorfeld alle abgeschworen haben. Was er von einer Großen Koalition hält? "Überhaupt nichts!", kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen. "Das ist der kleinste gemeinsame Nenner. Das bedeutet weiter Stillstand für unser Land."

Genau das zu verhindern, hat sich der Salmtaler im Wahlkampf auf die Fahnen geschrieben. Hoffnung legt er in zusätzliche Mandate der CDU-Direktkandidaten, weil diesmal die Linkspartei manchem SPD-Kandidaten das Wasser abgrabe. Wie wäre es mit Schwarz-Gelb-Grün? Rauen schweigt und schaut gebannt auf den Bildschirm. Dort nimmt ihm Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) die Antwort ab, indem er sich gegen "Sandkastenspiele" mit möglichen Koalitionspartnern verwehrt. Derweil freut sich Brandenburgs Matthias Platzeck, weil seine SPD "unheimlich viel zugelegt hat". Alles eine Frage der Perspektive.

"Was soll denn noch passieren?"

Die erste Hochrechnung sieht die CDU bei 36,6 Prozent und gemeinsam mit der FDP schon acht Mandate von der Macht entfernt. "Was soll denn noch passieren in Deutschland?", entfährt es Rauen. "Wir haben Rückgang bei der Beschäftigung, stehen bei den Finanzen an der Wand. Das ist ganz schlecht. Das bedeutet negative Reaktionen der Wirtschaft", fürchtet Rauen und macht sich auf den Weg nach Mainz.

Die Freude über seinen Sieg im Wahlkreis Eifel mit 49 Prozent der Erststimmen wird durch sinkende CDU-Werte bei den Hochrechnungen getrübt. "Über das Bundesergebnis bin ich sehr enttäuscht", meldet Rauen aus dem Auto. Live im SWR-Studio moniert er das "Chaos" von Äußerungen: "Es ist aberwitzig zu glauben, die CDU als stärkste Partei könnte tolerieren, dass Schröder Kanzler bleibt." Wenn schon Große Koalition, dann unter Führung der Union. Spricht's und tritt mit Bauchgrimmen die Heimreise an.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort