Erinnerungen an die Katastrophe im Tanklager - Am 23. September 1954 explodierte in Niederstedem ein riesiger Kerosintank – 29 Menschen starben

Niederstedem · Vor 60 Jahren ereignete sich in einem Nato-Tanklager bei Bitburg eine Katastrophe, die 29 Menschen das Leben kostete. Bei der Vorführung eines neuartigen Löschsystems war ein riesiger Kerosintank explodiert. Der TV hat sich am Ort des Unglücks umgesehen, wo heute – genau wie früher – Flugzeugtreibstoff gelagert wird.

Die Explosion war so heftig, dass die Kleidung der Menschen, die dabei starben, ringsum in den Bäumen hing. Die selben Eichen stehen dort immer noch. Grillen zirpen in der Spätsommersonne. Raubvögel ziehen ihre Runden. Und trotz der stählernen Rohre, Ventile und Schachtabdeckungen, die aus der Wiese herausragen, wirkt der Ort friedlich.

Nur ein Gedenkstein erinnert unweit der Unglücksstelle daran, dass auf dem Gelände des Nato-Tanklagers bei Niederstedem vor genau 60 Jahren - am 23. September 1954 - 29 Menschen ihr Leben verloren. Dort, wo auf einer bewaldeten Anhöhe damals eine gewaltige Feuersäule in den Himmel stieg, wird heute in einem etwa 5000 Kubikmeter großen Tank wieder , der auf der Bodenplatte des zerstörten Vorgängers entstand, wieder Kerosin gelagert. Flugzeugtreibstoff, der von Niederstedem aus auf Bestellung durch Pipelines an die Flugplätze in Spangdahlem, Büchel, Ramstein und Luxemburg verteilt wird.

Zwar kommen nur selten Besucher auf das von großen Militärzäunen geschützte Gelände. Anders als zu Zeiten des kalten Krieges, wird es aber heute nicht mehr geheim gehalten.

Und so erklärt Betriebsleiter Klaus-Dieter Weides, während er auf der Decke des mit Stahlbeton ummantelten und von Gras überwachsenen Kerosintanks steht, bereitwillig, was sich vor 60 Jahren an genau dieser Stelle zutrug.

Während heute sanfte Hänge und Orchideenwiesen das Landschaftsbild prägen, lag dort damals eine von Baggern und Bauhütten geprägte Großbaustelle. Am 23. September 1954 war das Tanklager so weit fertiggestellt, dass es übergeben werden sollte. Das Richtfest war gekommen. Gegen 16 Uhr hatten sich etwa 40 Gäste neben dem Tank versammelt, um eine Vorführung zu verfolgen, die die Sicherheit des neuen Lagers demonstrieren sollte. Unter ihnen waren amerikanische und französische Militärangehörige, Vertreter des RWE, der Bundesbahn, der am Bau beteiligten Firmen sowie deutsche Beamte.

Um das neuartige CO2-Löschsystem zu demonstrieren, bauten zwei Männer die Temperaturfühler der Anlage aus und tauchten sie in heißes Wasser. Es funktionierte: Die Sirenen gingen an und in der Tiefe des mit 1,35 Millionen Liter Kerosin gefüllten Tanks hörte man, wie das Kohlendioxid ausströmte. Während die beiden Männer den Eimer mit dem heißen Wasser wieder wegbrachten (was ihnen laut Weides das Leben rettete) betraten die anderen Gäste die Decke des Tanks.

Keine 60 Sekunden später geschah das Unfassbare: Der Tank explodierte. Die Druckwelle sprengte einen fünf Meter breiten Streifen der Decke weg. Eine riesige Stichflamme schoss aus dem Spalt. Für die, die auf der Mitte des Tanks gestanden hatten, gab es keine Rettung. Der Rest der Abdeckung wölbte sich nach oben, stürzte in sich zusammen und begrub unter sich jene Menschen, die etwas weiter außen gestanden hatten. "Die die überlebt haben waren die, die sich aus dem Schutt befreien konnten", sagt Weides, der mit vielen Augenzeugen über die Ereignisse gesprochen hat. Als Ursache des Desasters nennt er, dass sich das CO2 beim Einströmen elektrostatisch aufgeladen habe und sich im Tank gewitterartig wieder entlud.

29 Menschen starben an jenem 23. September 1954 - 21 Deutsche und acht Franzosen. Und als am 27. September in Bitburg die Trauerfeier für die in einer Turnhalle aufgebahrten Opfer der Katastrophe stattfand, war für ganz Rheinland-Pfalz Trauerbeflaggung angeordnet. Acht weitere Unglücksopfer erholten sich in Krankenhäusern unterdessen langsam von ihren schweren Verletzungen.

"Das Furchtbare war, dass sie fast alle auf dem Tank standen", sagt Weides kopfschüttelnd und blickt vom damaligen Unglücksort aus auf die andere Seite des grünen Tals, wo sich unter Gras die Rundung eines weiteren Kerosinlagers abzeichnet. Dieser Tank war damals leer. Hätte die Demonstration dort stattgefunden, dann wäre nichts passiert. Doch dort waren Tische und Bierbänke aufgebaut. Für ein Richtfest, das niemals stattfand.

Extra: Das Tanklager

Das 29 Hektar große Nato-Tanklager bei Niederstedem wurde 1954 von den Franzosen gebaut und 1956 an Deutschland übergeben. Dort gibt es sieben Tanks, die der Zwischenlagerung von Kerosin dienen: Sechs fassen jeweils 5000 Kubikmeter, einer 10.000. Insgesamt können in Niederstedem 40 Millionen Liter Flugzeugtreibstoff gelagert werden. Das wäre genug, um einen F.16-Kampfjet 17.613 Mal zu betanken. Von Niederstedem aus wird das Kerosin durch Pipelines an die Militärflugplätze Spangdahlem, Büchel und Ramstein oder den luxemburgischen Flugplatz Findel verteilt. 20 Mitarbeiter arbeiten auf dem umzäunten Gelände.
Lange Zeit war alles, was mit dem Tanklager und den Pipelines zu tun hatte, geheim, die Tanks wurden bombensplittersicher und unterirdisch gebaut. Die neueren Modelle jedoch erinnern, da sie aus Kostengründen nur noch zu zwei Dritteln im Boden liegen, immer stärker an zivile Tanklager. Außer wenigen Stellen, an denen Proben genommen werden können, gibt es keine Öffnungen, an denen Kerosin austreten könnte. "Unsere Tanks sind dauerbrandsicher", sagt der Betriebsleiter. Selbst ein Waldbrand könne ihnen nichts anhaben. kah

Extra: Pipelinesystem

Mithilfe eines weitverzweigten Pipelinesystems und zahlreicher Lagerstätten stellt die Nato sicher, dass sie sich "in Frieden, Krise und Krieg" mit Kerosin (und bei Bedarf auch mit anderen Mineralölprodukten) versorgen kann. Von den großen Seehäfen aus, wird das Kerosin zu militärischen und auch zivilen Flughäfen gepumpt. Das Tanklager in der Eifel wird von Rotterdam und Antwerpen aus gespeist. In Niederstedem sorgen Pumpen dafür, dass genügend Druck auf der Leitung ist, um das Kerosin in einem weiten Bogen Richtung Zweibrücken weiterzutransportieren. Betrieben werden die (oberirdisch an rot-weißen Pfählen zu erkennenden) Pipelines wie auch das Tanklager im Auftrag des Bundes von der Fernleitungs-Betriebsgesellschaft. kah

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