"Es ist prachtvoll"

Nun sind sie wieder da, die Passionsspiele in der Fastenzeit. Nicht nur in Oberammergau, sondern in etlichen Orten der Eifel werden tausende Besucher beeindruckt von der schauspielerischen Darstellung des Leidens und Sterbens Jesu Christi, gleich ob im ostbelgischen St. Vith, in Schuld an der Ahr, in Rieden oder Wallersheim.

Daun/St. Vith/Schuld. Solche Passionsspiele, die alle das Leiden und den Tod des Erlösers zur Haupthandlung haben, können auf eine lange Tradition zurückblicken. Sie brachten in ihrer gefühlvollen Darstellung den Menschen, die nicht lesen und schreiben konnten, die Bibel bilderreich und anschaulich nahe. Deutsche Handschriften von Passionsspielen sind bereits im 13. Jahrhundert nachweisbar. Während des Mittelalters wurden sie meist Mysterienspiele genannt. Sie waren nicht nur an den Karfreitag gebunden, an dem meist nur die Verhaftung, das Verhör und Leiden sowie Kreuzigung und Tod von Jesus durch Laienschauspieler gezeigt wurden, sondern fanden häufig Fortsetzung an darauf folgenden Tagen durch die Osterspiele mit szenischer Darstellung der Auferstehung. Nach dem Ersten Weltkrieg lebten solche Passionsspiele vielerorts wieder auf, auch in Daun.Historisch treues Bild dank der Kostüme

Und das nicht unbedingt während der Karwoche, wie die Dauner Eifelzeitung vom 17. Juli 1922 meldet: "Am gestrigen Sonntag Abend fand die erste Aufführung der Passionsspiele statt. Der große Schramm'sche Saal war vollbesetzt und waren die Besucher über die Darbietungen hoch befriedigt. Der Christusdarsteller, Herr Direktor Bergner, ist wie geschaffen, die Gestalt Christi zu verkörpern und versteht es meisterlich, sich der hohen Aufgabe anzupassen. Auch die übrigen Hauptrollen wurden von den Darstellern gut gegeben. Ein historisch treues Bild der großen Zeit geben die Kostüme. Die eigens für die Passionsspiele hergerichtete Bühne wirkt auf die ganze Darstellung ergänzend." In den vergangenen Jahrzehnten erfahren die Passionsspiele eine Wiederbelebung. Ausverkaufte Säle beweisen hohes Interesse bei der Bevölkerung. Presse und Fernsehen berichten ausführlich über diese Besonderheiten. Hervorragende Bühnenbilder, ansprechende Musik und teilweise beste Laienspielkunst geben dem sensiblen biblischen Stoff volkstümliche Anschauung. Fast überall halten sich die Texte eng an biblische Vorgaben. Aber im Gegensatz zur Vergangenheit wird nunmehr darauf Wert gelegt, dass aus der Textgestaltung die Darstellungen der Juden als "Christus-Mörder" verschwinden und keine antisemitischen Tendenzen abgeleitet werden können.Aus jener Dauner Passionsspielzeit wird bis heute eine erheiternde Anekdote berichtet, die dem tragisch-schweren Bibelstoff ein Schmunzeln entlockt. In den 1920-er Jahren war der Dauner Rudi Jesus-Darsteller. Nun hatte sich die Regie einfallen lassen, jenem Rudi während der Aufführung eine besondere Freude zu bereiten. An der Stelle, wo die Soldaten Jesus den Schwamm mit der bitteren Flüssigkeit reichen, gedachte man, etwas von der biblischen Realität abzuweichen, und Rudi anstatt des Essigs einen guten Schnaps anzubieten.Dramatisch ging es auf der Bühne zu. Ergriffenheit hatte die Zuschauer im überfüllten Saal gepackt. Hochaufgerichtet stand bereits das Kreuz, an dem Rudi hing und stöhnte: "Mich dürstet!" Flugs sprangen seine Schauspielerkollegen als verkleidete römische Soldaten hinzu und reichten ihm an einer langen Stange den schnapsgefüllten Schwamm empor. Und Jesus- Rudi saugte mit verklärtem Gesicht an diesem Schwamm, neigte sein Haupt zur Seite und sprach mit ersterbender Stimme: "Es ist prachtvoll!"

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