Experten rätseln über archäologischen Fund

Bitburg/Dudeldorf/Lambertsberg · Der Hobby-Archäologe Christian Credner aus Lambertsberg ist während einer Fototour mit seiner Drachenkamera bei Dudeldorf womöglich auf eine antike Trainingsrennbahn gestoßen. Über seine Entdeckung spricht er am Freitag, 17. Oktober, im Haus Beda in Bitburg.

 Gab es eine Trainingsbahn für römische Wagenrennen (Foto oben) in der Eifel? Diese Anlage bei Dudeldorf-Ordorf (Foto unten) gibt Experten Rätsel auf. Fotos: ISTOCK; Christian Credner

Gab es eine Trainingsbahn für römische Wagenrennen (Foto oben) in der Eifel? Diese Anlage bei Dudeldorf-Ordorf (Foto unten) gibt Experten Rätsel auf. Fotos: ISTOCK; Christian Credner

Bitburg/Dudeldorf/Lambertsberg. Seit mehr als zehn Jahren fotografiert der pensionierte Kardiologe Christian Credner auf der Suche nach archäologischen Schätzen die Eifel aus der Luft (der TV berichtete mehrfach) - jetzt könnte er eine sensationelle Entdeckung gemacht haben: Bei Dudeldorf schlummert womöglich eine antike Trainingsrennbahn unter dem Ackerboden - in der Größe eines Fußballfeldes.
Der Flugdrache - er ist Credners Markenzeichen: Mithilfe des Geräts und einer daran angebrachten Kamera schießt der Vorsitzende des Geschichtlichen Arbeitskreises Bitburger Land (GAK) vom Boden aus Fotos per Fernauslöser. Die Technik setzt er für archäologische Zwecke ein. Und auf eben diese Weise hat Credner bereits im Sommer 2011 die Luftbilder bei Dudeldorf gemacht.Wenig Literatur


Und das kam so, erzählt Credner: Edgar Comes, Bürgermeister von Pickließem, habe ihn auf eine Stelle mit römischem Siedlungsschutt aufmerksam gemacht und zu ihm gesagt, er solle dort doch auch mal Fotos schießen.
Zu dem Zeitpunkt habe aber keiner geahnt, was später dann auf den Bildern zum Vorschein kommen sollte: "Ich habe einen einmaligen Grundriss fotografiert, und im nahen Umfeld weitere Strukturen", erzählt Credner. Und die lassen den Schluss zu, dass es sich um ein Gestüt mit angeschlossener Trainingsrennbahn für Wagengespanne handeln könnte.
Ein Verdacht, eine Art "Diagnose", wie Credner sagt, auf die er zunächst aber gar nicht kam. "Ich habe viel überlegt, die Fotos auch auf Tagungen gezeigt - aber niemand hatte so etwas je gesehen", erzählt er.
Dann aber kommt die studierte Archäologin Dagmar Elsenbast aus Bitburg zu einem von Credners Vorträgen, hat eine "Eingebung", wie er erzählt, - und überzeugt den 72-Jährigen von der Rennbahn-Theorie.
Experten aus Trier waren anderer Meinung: Sie hatten, auch aufgrund des Fundes einer kleinen abgegriffenen Münze, dort eher eine Gartenarchitektur aus der Zeit des ersten Jahrhunderts nach Christus vermutet. Eine Einschätzung, die Credner nicht für überzeugend hält: Die Lage und Größe des Langmauerbezirks, des offenen Viertelkreises und des T-förmigen Gebäudes, das aussehe wie eine Tribüne, spreche für eine Trainingsrennbahn - etwa aus dem dritten bis vierten Jahrhundert nach Christus. Um den Befund sicher einordnen zu können, müssten die archäologischen Untersuchungen noch ausgeweitet werden, sagt er. Aber Credner hat vor kurzem selbst ein paar Grabungen gemacht - und eben jene 80 Meter lange Mauer tatsächlich gefunden, die von den Experten bisher negiert wurde.
Auch die weiteren Überlegungen Credners haben Sinn: Der Circus, eine Pferderennbahn, sei im antiken Trier nachgewiesen - "und die vier Parteien, wie die Rennstalleigner damals genannt wurden, müssen ja auch irgendwo trainiert haben", sagt Credner. Und vermutlich nicht alle hätten dafür auch in Trier Platz gehabt. Auf der Rennbahn bei Dudeldorf könnte der Eigentümer seine Pferde und die Wagenlenker auf die Wettkämpfe vorbereitet haben.
Einen Trainingscircus, der von einer römischen Reiteinheit genutzt worden sein soll, habe Credner jetzt in Sinzig ausfindig machen können. Sonst sei in der Literatur kaum etwas über derartige Trainingsanlagen in Erfahrung zu bringen, sagt Credner. Wenn es solche Anlagen gegeben habe, dann wäre mit der in Dudeldorf "nun die erste gefunden", sagt er. Gemeinsam mit Dagmar Elsenbast plant er noch für dieses Jahr eine Veröffentlichung darüber in einem GAK-Heft - vorher erzählt Credner in Bitburg allen Interessierten von seiner einmaligen Entdeckung.
Der Vortrag ist am Freitag, 17. Oktober, 19 Uhr, im Haus Beda in Bitburg. Der Eintritt ist frei.Extra

Die Technik: Christian Credner, als ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger des Rheinischen Landesmuseums Trier ein gern gesehener Mitarbeiter auf vielen Ausgrabungsstellen, arbeitet mit der sogenannten Kite Aerial Photography, das ist eine alternative Luftbildtechnik. Sein Drachen steigt bis zu einer Höhe von 100 Metern, die daran befestigte Digitalkamera überträgt die Fotos drahtlos an einen Minibildschirm an seinem Handgelenk und liefert erdnahe, detailreiche Bilder mit ungewöhnlichen Perspektiven. Die Natur: Dass unterirdische Siedlungen aus der Luft überhaupt zu erkennen sind, liegt daran, dass Gräser und Getreide an diesen Stellen anders wachsen. Liegen unter der Erde die Reste einer Mauer, ist die Humusschicht dort dünner - und das Gras wächst weniger hoch. Diese Unterschiede lassen sich aus der Luft noch besser erkennen, wenn die Sonne möglichst tief steht, weil dann die unterschiedlich hohen Gräser auch unterschiedlich lange Schatten werfen. Die Geschichte: Die Wagenrennen - ludi circenses - waren in den römischen Provinzen vermutlich eine noch beliebtere Veranstaltung als heute die Formel-1-Rennen. Nach Berechnungen eines Historikers soll der erfolgreichste Profisportler aller Zeiten im zweiten Jahrhundert nach Christus als Wagenlenker in 24 Jahren nach heutigem Wert mehr als zehn Milliarden Euro verdient haben. eib

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