Fast lautlos – und immer von hinten

PRONSFELD/HABSCHEID. Im Alfbachtal machen zur Zeit Bussarde Joggern und Walkern das Leben schwer. In den vergangenen Tagen wurden einige Sportler angriffen, eine Frau erlitt sogar leichte Verletzungen am Kopf.

"Er fliegt direkt auf den Kopf zu, und er kommt immer von hinten." Albert Thiex, langjähriger Lauftreff-Chef der Leichtathletik-Gemeinschaft (LG) Pronsfeld-Lünebach, hat erst vor ein paar Tagen Bekanntschaft mit einem Bussard gemacht. Im Naturschutzgebiet Alfbachtal walkt oder joggt Thiex, der inzwischen die Welt fast zwei Mal umrundet hat (rund 80 000 Kilometer), besonders gerne. Und nicht nur er: Jeden Donnerstag machen sich die Mitglieder des Lauftreffs auf den Weg in das Schmuckkästchen der Natur, vorbei am inzwischen berühmten Biber, der nach wie vor mit Fleiß und Beharrlichkeit einen Baum nach dem anderen zur Strecke bringt. Der angriffslustige Bussard hat derweil zwar noch keinen Läufer komplett zur Strecke gebracht, einigen von ihnen allerdings bereits einen ziemlich großen Schrecken eingejagt. Albert Thiex: "Plötzlich hört man ein Rauschen, dann ist er schon an der Mütze oder am Kopf. Da kennt der nichts!" Besonders vorsichtig sind die Eifeler Freizeitsportler inzwischen, wenn sie allein oder in kleinen Gruppen unterwegs sind. Einige führen deshalb Stöcke oder Reisigbündel bei sich, um einen plötzlich Angriff parieren zu können. "Das ist ein probates Mittel", weiß Albert Thiex. An größere Laufgruppen und Spaziergänger traue sich der Alfbachtal-Bussard im übrigen nicht heran. Für den TV wagte Albert Thiex in der vergangenen Woche den ultimativen Bussard-Test. Rund vier Kilometer lief der Marathon-Mann, der schon erfolgreich in New York und Köln unterwegs war, um den Greifvogel zu locken. In der Tat: Kaum war der Dauerläufer auf Betriebstemperatur, zeigte sich am stahlblauen Himmel ein Bussard-Pärchen, das scheinbar in aller Ruhe einige majestätische Runden drehte. Von einer Attacke nahmen die Greifvögel dieses Mal glücklicherweise Abstand. Anders erging es kürzlich Jutta Mertes. Sie lief mit ihrem Mann durchs Alfbachtal, als sie von einem Bussard angegriffen wurde. "Er kam von hinten und traf mich wie ein Ball am Kopf". Zwar habe der Vogel sie nicht ernsthaft verletzt, doch der Schreck sei ziemlich groß gewesen, erzählt sie. Sie habe lediglich einige Druckstellen davon getragen. Gleichzeitig berichtet die Läuferin von einem Jogger, dem vor einiger Zeit eine erhebliche Kopfwunde zugefügt worden sei, die ein Arzt habe nähen müssen.Nicht vom Aussterben bedroht

Dem Chef des Prümer Forstamts, Peter Wind, ist das Problem bekannt. Er hat inzwischen die Untere Jagdbehörde bei der Kreisverwaltung Bitburg-Prüm sowie die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord in Koblenz eingeschaltet. Wind, selbst passionierter Läufer, hat zudem den Horst lokalisiert und erklärt: "Normalerweise sind die Attacken nicht wirklich gefährlich." Meist handele es sich nur um Scheinangriffe. Vor ein paar Jahren sei er selbst einmal im Gondenbretter Wald mit einem Mäusebussard aneinander geraten. "Der Anflug ist lautlos, dann kommt der große Schreck", erinnert sich Peter Wind. Trotz des relativ geringen Risikos hat Wind die Behörden um eine Genehmigung zum Bejagen der unter Schutz stehenden Vögel gebeten. Denn: "Der Bussard ist schließlich nicht vom Aussterben bedroht. Das wäre mein Vorschlag, und man hat Ruhe", erklärt der Forstamtschef. Schließlich stünden die Bedürfnisse des Menschen über denen der Tiere. Wind: "Es können dort ja auch einmal Kinder unterwegs sein." Manfred Braun, Naturschutzreferent bei der SGD in Koblenz, hält von einen Bejagung unterdessen nichts. "Wir haben empfohlen, die Tiere nicht abzuschießen, und stattdessen Warnschilder aufzustellen." Ein Abschuss des Bussard-Pärchens würde bedeuten, dass die Jungen qualvoll verendeten, warnt Braun. Ähnliche Fälle kenne er von der Mosel. Dort habe man das Problem auch mit Warnschildern gelöst. Der Bussard sehe den Jogger während der Brutzeit vermutlich als Feind an. Braun: "Das Tier kann nichts dafür." Jogger hätten gleichwohl die Möglichkeit, während dieser Zeit eine andere Strecke zu laufen.

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