Gewöhnliche Tragödie

Das Amtsgericht Bitburg hat sich mit einem Fall befasst, von denen es in seinem Bezirk viel zu viele gibt. Ein betrunkener Autofahrer verursachte einen Unfall, bei dem eine Frau ihr Leben verlor - und muss nun für ein Jahr und vier Monate in Haft.

 Kreuz am Rande der B 51. Es gibt nur wenige Straßen in Deutschland, wo so viele Menschen ums Leben kommen wie hier. Neben waghalsigen Überholmanövern ist Alkohol eine häufige Unfallursache. TV-Foto: Katharina Hammermann

Kreuz am Rande der B 51. Es gibt nur wenige Straßen in Deutschland, wo so viele Menschen ums Leben kommen wie hier. Neben waghalsigen Überholmanövern ist Alkohol eine häufige Unfallursache. TV-Foto: Katharina Hammermann

Bitburg. Im Gerichtssaal ist es so leise, dass das Atmen der wenigen anwesenden Menschen zu hören ist. Sie sitzen da mit starren Gesichtern. Trotz der Sonne, die durch die Fenster scheint, liegt die Bedrückung wie ein Schleier über ihnen. Was sie dort vereint, ist erschreckend alltäglich. Ein Autounfall. Einer von vielen, die auf der B 51 passieren. Einer von vielen, die einen jungen Menschen das Leben gekostet haben. Und einer von vielen, an denen ein betrunkener Fahrer die Schuld trägt.Dieser Fahrer sitzt da, mit hängenden Schultern, die Hände auf dem Tisch gefaltet, den Blick zu Boden gerichtet. Der 45-Jährige ist aus gesundheitlichen Gründen Frührentner und bislang völlig unbescholten. Egal, was Richter Udo May auch entscheiden mag - sein Leben wird nie wieder so sein, wie es einst war. Ebenso wenig wie jenes der Menschen, deren Blicke sich in seinen Rücken bohren. Die Tragödie, die ihr Leben veränderte, geschah am 8. Oktober 2006 gegen sechs Uhr morgens auf der B 51 in der Nähe von Fließem.Mit mehr als zwei Promille hinters Steuer

Der Angeklagte war nach einem Streit mit seiner Ex-Freundin zum Bitburger Flughafen gefahren. In zwei verschiedenen Lokalen traf er dort Bekannte und durchzechte die Nacht: Viez-Cola, Rum-Cola, mehrere Magenbitter. Als er sich am frühen Morgen ins Auto setzte, muss er mehr als zwei Promille gehabt haben. Zeitgleich waren fünf junge Leute auf dem Weg nach Trier. Sie hatten in Bonn eine Disco besucht. Drei von ihnen schliefen. Nur die Fahrerin und der junge Mann, der hinten in der Mitte saß, waren wach. Als die beiden die Scheinwerfer auf sich zukommen sahen, war es bereits zu spät. Nichts, und das bestätigt während der Verhandlung auch ein Sachverständiger, hätte die junge Fahrerin tun können, um den Unfall zu verhindern. Sie starb wenige Stunden nach der Kollision. Ihr 1981 geborener Halbbruder erlitt so schwere Verletzungen, dass er sein Leben lang arbeitsunfähig sein wird. Sein Gehirn wurde verletzt. Seit dem Unfall ist er ein anderer Mensch. Die übrigen drei Mitfahrer kamen mit leichteren Verletzungen davon. Sie sitzen in der ersten Reihe des Gerichtssaals, hinter ihnen der Vater ihrer toten Freundin. Wie er auf die falsche Straßenseite geraten ist, weiß der Angeklagte nicht mehr. "Es tut mir so leid, was passiert ist. Ich kann es ja leider nicht rückgängig machen", sagt er mit brüchiger Stimme, ehe der Richter sich zurückzieht, um das Urteil zu fällen. Auch der Angeklagte wurde bei dem Unfall verletzt. Sein ohnehin schon vorhandenes Leiden hat sich dadurch verschlimmert.Ein Urteil, das abschrecken soll

Ein Jahr, neun Monate fordert die Anklage wegen des sehr hohen Verschuldens. Ohne Bewährung. Der Verteidiger verweist darauf, dass der Angeklagte dem "bürgerlichen Lager" entstammt und mit mehr als zwei Promille als vermindert schuldfähig gelten könnte. Er beantragt, die Strafe auf Bewährung auszusetzen. "Aus dem bürgerlichen Lager kann man sich herauskatapultieren", sagt der Richter nach der Urteilsverkündung: Der Angeklagte bekommt ein Jahr und vier Monate ohne Bewährung. Gerade in einem Bezirk, wo derartige Unfälle viel zu häufig vorkämen, sei es zur Abschreckung dringend erforderlich, harte Strafen zu verhängen. Dem Richter ist bewusst, dass die Trauernden die Strafe womöglich anders einschätzen. Ihre Gesichter bleiben starr und bedrückt, so wie das des Angeklagten. Extra Gefährliche Piste, die B 51: "Die B 51 ist eine Horrorstrecke", sagt Norbert Pinter. "Es gibt kein Straßenstück, das länger ist als tausend Meter, auf dem ich nicht schon einmal war." Der Kraftfahrzeug-Sachverständige wird hinzugerufen, sobald es zu einem tödlichen Unfall gekommen ist. Besonders oft musste er, seit er 1981 seine Arbeit aufnahm, auf der Höhe von Meilbrück, Meckel und Fließem Halt machen. Die Zahl der Verkehrstoten liege in der Region deutlich über dem bundesdeutschen Schnitt. Insgesamt hat es im Jahr 2007 entlang der B 51 ganze 677 Mal gekracht. Das Problem: Die geraden Strecken verleiten Fahrer zu gefährlichen Überholmanövern. Sie vergessen dabei, dass die Strecke uneinsichtige Senken hat und plötzlich ein Auto oder Traktor aus einer der vielen Zufahrten kommen kann. Unfallursache Nummer eins ist das Rasen. Gefolgt von Alkohol und Drogen. Jeder fünfte Unfall mit Verletzten geht darauf zurück. 2007 mussten deswegen in der Region Trier sieben Menschen sterben. Richter Udo May spricht von drei bis fünf tödlichen Verkehrsunfällen, die jährlich vor dem Amtsgericht Bitburg verhandelt werden. Zu viele jedenfalls. Schon zur Abschreckung müsse man da eine harte Strafe verhängen. (kah)

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