"Gewinne zu Lasten des ländlichen Raums"

STADTKYLL. Wie sieht künftig die Postversorgung auf dem Land aus? Muss der Kunde seine Briefmarken beim Briefträger kaufen? Mit diesen Fragen befasste sich die Livesendung "Reiss & Leute" vom SWR-Fernsehen am Mittwochabend aus Stadtkyll.

Beiherrlichem Frühlingswetter kamen zahlreiche Bürger zurPostagentur in der Tourist-Info am Stadtkyller Marktplatz.Hintergrund der von Beatrix Reiss moderierten Sendung: VieleBetreiber von Postagenturen sind sauer. Sie sollen neue Verträgeunterschreiben, die ihnen die Deutsche Post AG aufdrängt.Betreiber fürchten 25 bis 30 Prozent Mindereinnahmen. Mithöherwertigen Dienstleistungen wie der Eröffnung von Konten, demAbschluss von Telefonverträgen oder dem Verkauf vonVersicherungen soll die Verdienstlücke geschlossen werden. VielePostagenturen drohen, ihre Agenturen lieber zu schließen, alseinen neuen "Knebelvertrag" zu unterschreiben. Besonders auf demLand wäre die Postversorgung dann nicht mehr wie bishergewährleistet. Bürgermeister Werner Arenz hat den Vertrag für den Touristikverein Obere Kyll zwar schon unterschrieben, damit Bürger und Touristen auch weiterhin einen Postservice in Anspruch nehmen können. "Mit dem neuen Vertrag sind wir aber absolut nicht glücklich", sagt Arenz. Auch für Andreas Wisniewski, Leiter der Tourist-Info, gehören zur Fremdenverkehrsgemeinde mit rund 80 000 Gästen pro Jahr die stark nachgefragten Postdienstleistungen dazu.

Agenturbetreiberin Doris Löhr aus Hahnstätten im Lahnkreis hat den neuen Vertrag nicht unterschrieben und fand prompt wenig später die Kündigung im Briefkasten. Ihr noch bis 2005 laufender Vertrag sollte durch den neueren, für sie schlechteren Vertrag ersetzt werden. "Es konnte überhaupt nicht darüber geredet werden", prangerte sie die Vorgehensweise an. "In unserem Ort über 3000 Einwohnern wären die Leute entsetzt, wenn wir zumachen würden."

Werner Seefeld, Bürgermeister aus Offenbach an der Queich und Vertreter des Gemeinde- und Städtebunds Rheinland-Pfalz, hatte schon frühzeitig davor gewarnt, dass diese Postreform nicht zu Lasten des ländlichen Raumes gehen dürfe. Die weißen Flecken sieht er nun als unvermeidbar an, da Ersatz für die gekündigten Postagenturen nicht sofort gefunden werden könne.

Torsten Modery, Bundesvorsitzender des Interessenverbandes der Postagenturbetreiber, sieht das Bonuspaket im neuen Vertragsangebot skeptisch. Bei der Struktur der Agenturen in Zeitschriftenläden, Bäckereien und Lebensmittelgeschäften können die Betreiber nicht zwischendurch eine Versicherung verkaufen nach dem Motto: "Hier sind ihre drei Brötchen, darf es noch eine Unfallversicherung sein?"

Die Post bliebt der Veranstaltung in Stadtkyll fern. Beatrix Reiss: "Die Post möchte nicht teilnehmen, weil die Umstellung noch nicht abgeschlossen sei und man nicht öffentlich über Verträge diskutieren wolle."

Für Werner Seefeld sind die Hintergründe klar: "Die Post will Gewinne machen, was zu Lasten der Arbeitnehmer und des ländlichen Raumes geht." Die Politik müsse auf den Plan gerufen werden. Doris Löhr möchte "nur nach Leistung bezahlt" werden.

Die Sendung aus Stadtkyll wird am Sonntag, 11. Mai, morgens um 5.30 Uhr im dritten Fernsehprogramm (SWR) wiederholt.

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