Hilfe in einem schwierigen Prozess

BITBURG. Computerkenntnisse werden von allen Bewerbern verlangt. Wer die nicht vorweisen kann, hat es schwer. Ein neuer Kurs der Kreisvolkskochschule soll besonders Russlanddeutschen eine wichtige Starthilfe in die Berufswelt geben.

"Sie haben keine ausreichenden Computer-Kenntnisse. Es tut uns sehr leid." Diese Sätze am Ende eines Bewerbungsgesprächs sind deprimierend. Besonders für ehemalige Russlanddeutsche, die sich in Deutschland einleben möchten und einen Einstieg in die Berufswelt suchen. Wer daran scheitert, endet oft in einer Sackgasse ohne Perspektive, mit Depressionen und Alkohol. Doch dieser Weg ist nicht vorgezeichnet. Wie man es mit Engagement und Motivation schaffen kann, zeigt Irina Voitjuk. Vor sechs Jahren kam die 32-Jährige aus Kasachstan und leitet seit April eine Filiale für Raumreinigungssysteme in Wittlich. Das war erst möglich, nachdem sie mit einem Computer-Kurs die nötige Kompetenz erworben hatte, eine Filiale mit den anfallenden Büroarbeiten zu führen. Das Besondere an dem Kurs: Er wurde komplett in Russisch angeboten. "Zu Hause gab es Computer nur in Büchern", sagt Voitjuk, "bevor ich diesen Kurs gemacht habe, konnte ich fast gar nichts." In Deutschland wachsen Kinder mit dem Computer auf: In der Schule, zu Hause im Kinderzimmer, überall stehen sie herum, und die Grundlagen sind für Kinder schnell erlernt. Für viele Russlanddeutsche ist der PC jedoch noch eine mysteriöse graue Kiste, mit der sie nicht umgehen können. In ihrem Heimatländern wie Kasachstan oder der Ukraine sind Computer immer noch eine Seltenheit. Deshalb fehlen ihnen für den deutschen Arbeitsmarkt wichtige Kenntnisse. "Diese Unkenntnis verschlechtert die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sehr", sagt Karl-Heinz Drzimalla von der Kreisvolkshochschule Bitburg-Prüm. "Besonders bei Bürotätigkeiten sind Computerkenntnisse heutzutage ein Muss." Deshalb bietet die Schule nun einen Computerkurs an, der sich speziell an russischsprachige Menschen richtet, denen Grundkenntnisse fehlen. "Wir fangen mit der Tastatur an und schließen mit Formeln für Excel-Tabellen", sagt Vadim Krivda, der Leiter des Kurses. Er ist stammt aus der ehemaligen Sowjetunion und leitet den Kurs komplett in Russisch, arbeitet aber mit den deutschen Programmen und benutzt auch die deutschen Namen für die Befehle. Die Erklärungen in Russisch sind extrem wichtig, weil das Computer-Deutsch seine Tücken hat. "Ein Wort wie ,herunterfahren' ist zum Beispiel völlig unverständlich, viele Russlanddeutsche können damit nichts anfangen", sagt Krivda. Dass der Kurs in ihrer Muttersprache angeboten wird, soll die Hemmschwelle zusätzlich senken und sicherstellen, dass die Inhalte auch verstanden werden. Die Kreisvolkshochschule, die den Kurs mit der VHS Bitburg und der VHS Neuerburg anbietet, ist eine der ersten, die einen solchen Kurs auf die Beine gestellt hat. Vorreiter ist Wittlich. Dort hat Krivda bereits zwei solcher Kurse in Wittlich geleitet und viele positive Erfahrungen gemacht. Ein solch postives Beispiel ist Irina Voitjuk. Ein nicht zu unterschätzendes Ziel des Kurses ist es auch, junge Russlanddeutsche von der Straße zu holen, "damit sie wenigstens in dieser Zeit nicht am Omnibusbahnhof herumhängen und etwas Sinnvolles für ihre Zukunft tun können", sagt Drzimalla. "Der Wille, sich zu integrieren, ist sehr stark verbreitet", berichtet Krivda aus seiner Erfahrung, "aber Integration ist ein sehr komplizierter Prozess. Da muss man helfen." Dem pflichtet Drzimalla bei: "Die Bereitschaft ist da, bis jetzt fehlte nur das Angebot". Der Einstieg in das Berufsleben ist dabei ein ganz wichtiger Schritt. Der tägliche Kontakt mit Deutschen verbessert die Sprachkenntnis und bricht die oft vorhandene Abgrenzung und Ghetttoisierung auf. Den Kurs will Drzimalla jetzt über die Arbeits- und Sozialämter den Russlanddeutschen bekannt machen. "Wenn der Kurs gut läuft, werden wir ihn ins feste Programm übernehmen", sagt er. Überhaupt will sich Drzimalla an der Nachfrage orientieren: "Wenn es gewünscht wird, können wir kurzfristig auch einen weiterführenden Kurs anbieten oder einen zweiten parallelen Kurs starten." Irina Voitjuk will auf jeden Fall am Ball bleiben und zusätzliche Angebote wahrnehmen: "Ich werde jede Chance nutzen, mich weiterzubilden." Den Kurs kann sie nur empfehlen, "das ist ein wichtiges Integrationsangebot." Auch finanziell hat er sich für sie bezahlt gemacht. Seit Voitjuk eine eigene Filiale betreut, verdient sie deutlich mehr und arbeitet mit viel mehr Eigenenverantwortung. "Jedes positive Ergebnis zählt", sagt Krvida - und dieses positive Ergebnis kann sich in so einfachen Worten niederschlagen wie: "Meinen Glückwunsch, Sie haben den Job."

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