Hinter grauen Türen

Trier · Seit etwa 20 Jahren sehen An dreas Flämig und Elke Hermes jeden Tag Leid, Angst und Not, aber auch Hoffnung und Liebe. Die beiden letzteren Dinge versuchen sie, in ihrer Arbeit in der Aufnahmestation für Flüchtlinge in Trier zu fördern. "Wenn man diese Arbeit macht, muss man sein Herz daran verloren haben", sagt Flämig und erklärt, weshalb das so ist.

 Für ein paar Stunden dem grauen Alltag entfliehen – das können die Flüchtlinge bei der Kunsttherapie mit Elke Hermes. Foto: privat

Für ein paar Stunden dem grauen Alltag entfliehen – das können die Flüchtlinge bei der Kunsttherapie mit Elke Hermes. Foto: privat

Trier. Die Flüchtlinge in der Dasbachstraße leben in schwierigen Verhältnissen. Das stellt auch das Team der Ökumenischen Beratungsstelle für Flüchtlinge vor große Herausforderungen. Seit 1993 unterstützt und berät die Beratungsstelle, eine Einrichtung des Caritasverbands Trier und des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirchenkreise Trier und Simmern-Trarbach, Menschen, die einen Asylantrag in Deutschland gestellt haben. Schwerpunkte: die Asylverfahrensberatung, die psychosoziale Beratung sowie die traumatherapeutische Hilfe für die Flüchtlinge. Fünf Hauptamtliche, zahlreiche Ehrenamtliche, freie Mitarbeiter und Dolmetscher arbeiten dort - Andreas Flämig vom Caritasverband und Elke Hermes vom Diakonischen Werk sind seit den 1990er Jahren zwei davon. Hermes ist zuständig für die psychosoziale und therapeutische Hilfe für Flüchtlinge, Flämig für die Verfahrensberatung und die psychosoziale Beratung.
2014 haben die Mitarbeiter der Ökumenischen Beratungsstelle mit mehr als 600 Flüchtlingen Gespräche geführt. "Viele sind voll von Problemen, die raus müssen", sagt Flämig und erläutert, dass es den meisten jedoch schwerfalle, sich mit ihren eigentlichen Problemen auseinanderzusetzen. Das Warten auf eine Aufenthaltsgenehmigung kann mehrere Jahre dauern. "Diese Warterei ist eine extreme psychische Belastung für die Menschen, das ist unverantwortlich." Und Elke Hermes ergänzt: "Besonders viele Menschen, die alleine fliehen, haben zusätzlich das Getrenntsein von ihrem sozialen Umfeld zu verarbeiten und sind psychisch traumatisiert."
Flämig und Hermes wissen um ihre Verantwortung. "Wenn man diese Arbeit macht, muss man sein Herz daran verloren haben", sagt Flämig. Seit zehn Jahren gibt es zusätzlich zu der psychosozialen Beratung einmal wöchentlich ein kunsttherapeutisches Angebot in Verbindung mit den Einzeltherapien. "Für die Menschen ist es wichtig, ins Handeln zu kommen und sich auszutauschen", so Hermes. Das ist wegen der Sprachbarrieren nicht immer einfach, meist dolmetschen diejenigen, die schon länger da sind. Oft ist es ein Verstehen ohne Worte.
Allerdings kann nicht allen Flüchtlingen, die therapeutische Hilfe bräuchten, geholfen werden. Denn seit etwa einem Jahr steigt die Zahl der Flüchtlinge, durch die starke Belegung und damit einhergehende kürzere Verweildauer.
Die Erstaufnahmeeinrichtung in Trier-Nord und die Außenstelle in Euren bieten derzeit zusammen 1900 Plätze. Zeitweise war im Februar der Ansturm so groß, dass keine Betten mehr zur Verfügung standen und manche in den Fluren der Einrichtung übernachten mussten, berichtet Flämig. Deshalb wurden zusätzlich in der Luxemburger Straße zwei Zelte aufgestellt.
Wenn sie etwas Warmes trinken, sich ein bisschen hinsetzen und sich mit ein paar Gesellschaftsspielen die Zeit vertreiben wollen, gehen sie in die Teestube. Dort gibt es kostenlos Kaffee und Tee.
Auch die Mitarbeiter müssen alle paar Jahre hoffen und bangen. Hoffen darauf, dass ihnen die Mittel genehmigt werden. Die bürokratischen Wege würden immer wieder viel Zeit in Anspruch nehmen, erklären Flämig und Hermes. Ein weiteres Problem: Wenn die Flüchtlinge verlegt werden, wird versucht, sie an anderen Stellen mit psychologischer Betreuung zu vermitteln. Doch von diesen Stellen gibt es nur drei in Rheinland-Pfalz - in Altenkirchen, Mayen-Koblenz und Trier. Enge, Trostlosigkeit, Ungewissheit, Warten, Angst, psychische Probleme, verschiedene Kulturen und Konfessionen, wenig Schlaf. "Trotz allem gibt es wenig Aggressionspotenzial", sagt Flämig. "Jeder hier könnte sich jeden Tag bei uns beklagen. Aber die wenigsten tun es, die meisten sind sehr geduldig." müs

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