Im Keller unter Feuer

BAUSTERT. (red) Kriegsende vor 60 Jahren. In unserer Serie "Zeitzeugen" berichtet heute TV-Leser Viktor Marbach.

Am 25. Februar 1945 merkten wir schon frühmorgens, dass die Front sehr nahe war. Von allen Seiten hörten wir Infanteriefeuer und das Rasseln von Panzerketten. Einige Leute gingen nach oben und befestigten eine weiße Fahne auf dem Dach. An der Haustür befestigten sie ebenfalls ein weißes Tuch und ein Schild mit der Aufschrift: "Hier nur Zivil." Dann kamen sie wieder schnell zu uns in den Keller. Auf einmal schossen die Amerikaner mit einem Maschinengewehr in den Keller, durch eine schwere eichene Hintertür, die mit Holz und Mist teilweise abgedeckt war. Vielleicht vermuteten die Amerikaner deshalb dort eine deutsche Stellung. Wir lagen zwar nicht in der Schussrichtung, doch weil die Geschosse in Porzellan einschlugen, flogen davon Splitter und auch Querschläger durch den ganzen Keller. Es gab ein furchtbares Durcheinander von rufen, schreien und brüllen, beten und weinen. Jeder wollte sich irgendwo in Sicherheit bringen, aber es war nichts da, hinter dem man sich verstecken konnte, höchstens hinter seinem Nebenmann, aber der war damit nicht einverstanden. Als die Leute dann auch noch bemerkten, dass sich ein deutscher Soldat in den Keller eingeschlichen hatte, gab es die reinste Panik. Er hatte sich wohl von seiner Truppe abgesetzt, hatte ein ganzes Komissbrot an einer Schnur um den Hals hängen und wollte so in Gefangenschaft gehen. Er wurde mit Gewalt brutal nach oben getrieben und musste im Hausflur bleiben. Auf dem Schild an der Haustür stand geschrieben, dass nur Zivilisten im Haus wären, aber jetzt war ein Soldat drin. Das könnte böse Folgen für uns haben. Als dann die Amerikaner wenig später mit dem Gewehrkolben an die Haustür schlugen und: "Alles raus" riefen, musste er als erster rausgehen. Dann folgten wir Zivilisten mit erhobenen Händen. Wir, also meine Mutter, meine zwei Schwestern und ich, hatten dies ein halbes Jahr vorher schon einmal mitgemacht, hatten deswegen vergleichsweise weniger Angst als alle anderen. Als ich zur Haustür hinaus trat, stand nur wenige Schritte entfernt ein Amerikaner, der mit seiner Maschinenpistole in das Dorf schoss. Überall wurde geschossen. Im Dorf leisteten deutsche Soldaten heftigen Widerstand. Deshalb führten die Amerikaner uns vom Haus fort vor das Dorf auf eine Wiese. Dorthin wurden nach und nach alle Dorfbewohner gebracht, Männer und Frauen, alte Leute und Kinder, auch von eroberten Nachbardörfern. Der Text stammt von Viktor Marbach aus Kruchten und ist seinem Buch am "Westwall geht die Sonne unter" entnommen, das der Verein für Heimatkunde in der VG Neuerburg veröffentlicht hat. Viktor Marbach erlebte das Kriegsende in Baustert im Alter von 14 Jahren.

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