Interview Drogenkriminalität in der Eifel: Wo kein Ermittler, da kein Richter

Bitburg · 241 Drogendelikte wurden 2016 im Eifelkreis gemeldet. Die Dunkelziffer sei wohl weit höher, meint ein Experte der Bitburger Polizei. Um das Problem in den Griff zu bekommen, fällt ihm nur eine Lösung ein.

Ein 21-Jähriger zertrümmert die Einrichtung seiner Eltern. Er halluziniert, hat Angstzustände. Ausgelöst wurden sie durch Drogen. Was genau der junge Eifeler eingeworfen hat, können die Polizisten nicht sagen. Sie wissen nur: Die Substanzen, die der Mann zu sich genommen hat, haben sein Gehirn nachhaltig geschädigt. Heute ist der 21-Jährige in einer Psychiatrie untergebracht, wird dort mit Medikamenten behandelt.

Fälle wie diese seien keine Seltenheit, sagt Hans-Jürgen Riemann. Der stellvertretende Dienststellenleiter der Bitburger Polizei hat beinahe jede Woche mit Menschen zu tun, die von Drogen aus der Bahn geworfen werden. Im vergangenen Jahr habe es sogar zwei Todesfälle im Eifelkreis gegeben. Beide seien sogenannte Mischkonsumenten gewesen, sagt Riemann. Das heißt: Sie schluckten täglich einen ganzen Cocktail verbotener Substanzen.

Ganz so dramatisch geht es bei den meisten nicht aus. Trotzdem: Die Zahl der Drogendelikte ist hoch, rund um Bitburg. Woran das liegt? Fragen wir einen Experten:

Herr Riemann, haben die Eifeler ein Drogenproblem?

RIEMANN: Wir haben vor allem ein Erfassungsproblem. Wieviel Gramm hier jährlich den Besitzer wechseln, können wir gar nicht genau sagen. Bei solchen Delikten gibt es ja selten Geschädigte, die Anzeige erstatten. Konsumenten und Dealer bleiben im Untergrund. Wir bekommen also nur von denen mit, die wir erwischen. Die Dunkelziffer wird erheblich höher sein. Aber das ist in anderen Regionen auch so.

Mit welchen Substanzen wird in der Eifel gedealt?
RIEMANN: Hier wird vor allem Cannabis geraucht. Bei 78 der insgesamt 241 Drogendelikte 2016 ging es um den Handel und Besitz dieser vergleichweise "weichen Droge". Aber auch Amphetamine sind beliebt, vor allem bei Jugendlichen. 61 Fälle sind uns aus dem vergangenen Jahr bekannt.
Heroin und Crystal Meth tauchen hierzulande fast gar nicht auf, ebensowenig wie LSD oder Magic Mushrooms. Damit hatten wir vor Jahren häufiger zu tun. Mittlerweile scheinen zumindest diese Drogen aber aus der Mode gekommen zu sein.

Wo kommen die Drogen her?

RIEMANN: Marihuana kommt vor allem über die niederländische Grenze rein. Dort kann es schließlich legal gekauft werden. Aber auch in Luxemburg ist der Drogenmarkt offener als in Deutschland.
Bei Bollendorf, also ganz in der Nähe der Grenze, haben wir im vergangenen Jahr eine Gruppe Jugendlicher überführen können, die im großen Stil gedealt hat.

In der Region selbst wird nichts angebaut?

RIEMANN: Klar kann es sein, dass jemand zu Hause ein Pflänzchen zieht, aber von Plantagen haben wir nichts gehört, auch nicht von Drogenküchen.

Wird heute denn allgemein mehr eingeworfen, geraucht und gezogen als noch vor zehn Jahren?

RIEMANN: Dass der Konsum steigt, ist nicht von der Hand zu weisen. Das hängt auch damit zusammen, dass man immer leichter rankommt.

Wenn ich jetzt etwas kaufen wollte: Wo müsste ich hingehen?

RIEMANN: Wir wissen, dass die Parkplätze der Bitburger Discounter als Umschlagplätze genutzt werden. Aber auch an Schulen oder in Parks wird mit Drogen gehandelt. Das Schwierige ist: Wenn wir einen der Treffpunkte "plattmachen", gehen diese Leute eben woanders hin. So verdrängen wir das Problem nur, aber wir lösen es nicht.

Wie könnte man es lösen?

RIEMANN: Nur durch mehr Personal. Uns fehlen Kontrollteams und Ermittler, um das Dunkelfeld aufzuhellen.
Auch in der Prävention, der Zusammenarbeit mit Schulen, Jugendhäusern, und so weiter, mussten wir in den vergangenen Jahren zurückfahren.

Ein Gedankenspiel: Stellen Sie sich mal vor der Besitz von und der Handel mit Cannabis wäre legal. Wenn sie all diese Fälle nicht mehr verfolgen müssten, hätten Sie dann nicht genügend Personal, um die richtig bösen Jungs zu fangen?

RIEMANN: Wir hätten dann zumindest weniger Arbeit (lacht). Aber es stimmt schon: Die meisten, die Marihuana konsumieren, rauchen nur gelegentlich. Viele von ihnen stehen voll im Leben.

Und ich glaube auch nicht, dass eine Freigabe dazu führen würde, dass der Konsum weiter ansteigt. Wer das Zeug heute kaufen will, bekommt es. Die Probleme, die die Drogen im Straßenverkehr machen, wären mit der Freigabe für uns aber nicht gelöst. Letztlich bleibt das aber eine politische Frage.

Das Interview führte Christian Altmayer

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