"Josefine ist zufrieden "

SCHLOSSHECK. 1998 meldete sich Schutzengel Josefine bei Günter Vorstädt mit der Aufforderung, den Beruf des Altenpflegers aufzugeben. Seitdem befindet sich der 57-Jährige im Dienste seiner Klientel täglich rund eine Stunde in Trance. Seine neue Berufsbezeichnung: Hellseher.

Mit einem schweren Verkehrsunfall fing alles an. Als Günter Vorstädt im Alter von 19 Jahren in der Nähe von Soest unverschuldet unter einen mit Steinen beladenen Lastwagen samt Anhänger geriet, blieb von seinem Leukoplastbomber der Marke Lloyd nicht allzu viel übrig. Dass er überlebte, bezeichnete man im Ruhrpott ein paar Tage später als ein Wunder. Gewundert hatte sich Vorstädt auch selbst: "Während ich bewusstlos war, trat ich aus meinem Körper heraus und schwebte rund fünf Meter über der Unfallstelle." Dort sah er sich schwer verletzt zwischen Bremspedal und Sitz kauernd wieder. Auf seiner "Mini-Astralreise", die rund 20 Minuten dauerte, beobachtete er nicht nur Feuerwehrleute, die seinen geschundenen Körper aus dem Fahrzeugwrack befreiten. Plötzlich fand er sich in einer Art Tunnel wieder, der am Ende nicht nur gleißendes Licht, sondern auch helle, weibliche Gestalten offenbarte. Vorstädt: "Eine davon kam zu mir und sagte, du brauchst keine Angst zu haben, du bist im Jenseits und ich bin dein Schutzengel." Die junge Frau, die da zu Günter Vorstädt sprach, war Josefine. Zu ihr pflegt der Schloßhecker Hellseher bis zum heutigen Tag engen Kontakt. Schließlich war sie es auch, die ihn davon überzeugte, "als Hellseher Gutes zu tun".Für einen Spinner wurde er noch nie gehalten

Ist Günter Vorstädt ein Spinner? Keineswegs, sagt der Wahl-Schloßhecker, während er die Hände an die grauen Schläfen legt und nachdenkt. Zumindest habe man ihn bisher noch nie als solchen bezeichnet: "Die Leute sind immer freundlich." Er mache seine Arbeit seriös, sei bei den Behörden mit diesem Gewerbe gemeldet und Scharlatanerie sei sein Ding ohnehin nicht. Vielmehr habe er es sich zur Lebensaufgabe gemacht, den Menschen zu helfen, und dies mit einer Erfolgsquote, die "der helle Wahnsinn" sei. "Ich kann mit Sicherheit von 100 Prozent ausgehen", verkündet Vorstädt ebenso gelassen wie stolz. Und da er so erfolgreich arbeite, sei auch Josefine zufrieden mit ihm. Über seine "Arbeit" selbst spricht Günter Vorstädt unterdessen eher mit Zurückhaltung. "Ich habe Schweigepflicht", stellt er klar, und trotzdem: Hilfe suchende Menschen kämen inzwischen aus einem Umkreis von rund 150 Kilometern. Ja, er könne von dem Job sogar leben.Ein bis zwei Sitzungen pro Tag

Nur ein vages Exempel aus dem Berufsalltag gibt der Schloßhecker Hellseher preis: Da ist die Geschichte vom Besuch eines niedergeschlagenen Mannes, dessen Ehefrau ihn wegen eines Liebhabers verlassen hat. Nach einem kurzen Vorgespräch bei Kaffee und Kerzenlicht schließt Vorstädt die Augen und nimmt Kontakt zu Josefine auf. Sie sei es dann, die zur betrügenden Ehefrau gehe und in deren Seele schaue. "Dann gibt mir Josefine Antwort und sagt, ob die Frau zum Mann zurückkehrt oder nicht." Vorstädt, dem eine bis zwei Sitzungen pro Tag reichen ("Das ist anstrengend, man ist dann schon geschafft"), hat schon viele Menschen kommen und gehen sehen. Manche seien bettelarm, andere würden mit einem Jaguar vorfahren. Wiederum andere ließen ihren Wagen ein paar hundert Meter vor dem Haus stehen, um nicht erkannt zu werden. Sogar Bürgermeister seien schon bei ihm gewesen, um zu erfahren, wie die kommende Wahl ausgehe. Dass Josefine mit ihrem Günter zufrieden ist, erfüllt den Eifel-Hellseher natürlich mit Genugtuung. Auch, dass sie bereits in Aussicht gestellt habe, er würde ein Alter um die 95 erreichen. Bis dahin werden also womöglich noch viele Menschen seine Telefonnummer wählen, um ihn um einem Termin zu bitten. Günter Vorstädt: "Ja, ich werde noch lange arbeiten."

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