Keine Zeit für Romantik

LEIDENBORN. Mähen rund um die Uhr: In diesen Tagen herrscht keine Ruhe auf den Wiesen, sondern heftige Betriebsamkeit mit Traktoren. Die Bauern müssen den ersten Grasschnitt des Jahres punktgenau einfahren.

 Nährstoffreiches Futter: Hermann Schwalen mit einer Handvoll Gras-Silage vom Vorjahr.Foto: Angelika Koch

Nährstoffreiches Futter: Hermann Schwalen mit einer Handvoll Gras-Silage vom Vorjahr.Foto: Angelika Koch

Für die meisten Menschen ist eine Wiese schlicht grün, und Gras ist Gras. Und warum zurzeit Landwirte auch sonn- und feiertags oder nachts wie von der Tarantel gestochen mit ihren schweren Maschinen über besagte grüne Weiden eilen, bleibt manchem ein Rätsel. Hermann Schwalen, Milchviehhalter aus Leidenborn mit rund 70 Hektar Grünland, kann es lösen: "Für die optimale Milchleistung braucht eine Kuh den optimalen Nährwert von 6,6 Megajoule pro Kilo Trockensubstanz Grassilage. Und um das zu erreichen, muss der optimale Schnittzeitpunkt eingehalten werden."Schauer macht oft Strich durch die Rechnung

Auf einem modernen Hof mit einer rentablen Flächengröße heißt es also: die wenigen Tage mit dem geeigneten Sommerwetter abpassen und bis zur letzten Minute ausnutzen, bevor ein einziger kräftiger Schauer womöglich einen Strich durch die komplizierte Nährwertrechnung macht - und aus hochwertigem Futter minderwertiges, Fäulnis belastetes Zeug. Vielfach tun sich hierfür mehrere Höfe zusammen und unterstützen einander mit Maschinen. Lohnunternehmer kommen hinzu. Glück hat, wer auf die Familie zählen kann, denn schließlich müssen die tägliche Arbeit im Stall, das Melken und nicht zuletzt die normale Hausarbeit trotz alledem laufen.Was Städter mit Heuduft und Bilderbuchromantik verbinden, ist eine knallharte betriebswirtschaftliche und logistische Meisterleistung, die jedes Jahr neu kalkuliert und riskiert werden muss: "Die Natur macht, was sie will, und Wettervorhersagen berücksichtigen oft die kleinklimatischen Bedingungen der Eifel nicht", schildert Schwalen die Unwägbarkeiten. "Im Herbst waren die Grasbestände sehr gut, doch durch das extrem trockene Frühjahr mit Kahlfrösten haben die wertvollen Gräser teils nicht überlebt und mussten nachgesät werden." Kostenfaktor: rund 1700 Euro extra allein für Saatgut, nicht eingerechnet Arbeits- und Maschineneinsatz. Nichts davon kann durch Mehreinnahmen refinanziert werden.Schwalen erklärt: Eine Wiese besteht in der Regel aus zehn verschiedenen Grassorten und bis zu 20 verschiedenen Kräuterarten, die zusammen zum richtigen Zeitpunkt die ideale Struktur für die Verdauung einer Milchkuh liefern. Was an Megajoule zum Nährwert schließlich fehlt, wenn der Schnittzeitpunkt nicht gut gewählt wurde, kann nur bedingt durch teures Kraftfutter zugesetzt werden. Der erste Schnitt im Mai ist dabei der wertvollste. Er liefert in der Regel den höchsten Ertrag und den besten Nährstoffgehalt. Nach dem Mähen wird das Gras gewendet und normalerweise einen Tag zum Trocknen liegen gelassen, dann geschwadet, geladen, geschnitten und im Silo verdichtet, zusätzlich mit Milchsäurebakterien besprüht. Die verbessern den anaeroben, also nicht Sauerstoff haltigen Gärungsprozess, an dessen Ende angewelktes, halbtrockenes und würzig riechendes Futter steht.Das Verfahren erfordert ein streng einzuhaltendes Timing: "Wenn ein Gewitter zu früh kommt, kann das viel Geld und Nerven kosten", erklärt Schwalen, "denn die Futtererzeugung ist in der modernen Landwirtschaft von einigen Faktoren abhängig: Natur, bedarfsgerechter, Computer optimierter Düngung, hoher Schlagkraft bei der Ernte und betriebswirtschaftlichen Aspekten."

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