Kleine Frau mit großem Herz

LISSENDORF. Heute erhält Heidi Heinen aus Lissendorf in Mainz die Staatsmedaille des Landes Rheinland-Pfalz für besondere soziale Verdienste. Die 74-Jährige hat im Dorf und bei Verwandten nichts davon erzählt. Ihre Tochter musste sie überreden, die Auszeichnung anzunehmen – als einzige Bürgerin aus der Region Trier.

"Ich möchte nicht im Mittelpunkt stehen", sagt Heidi Heinen bescheiden. So viel Brimborium ist nicht ihr Ding. Lachend erzählt sie, dass sie den Anruf aus dem Mainzer Sozial- und Familienministerium zuerst für eine unseriöse Anfrage einer dubiosen Glückslotterie gehalten habe. Von wegen - sie sind auserwählt. "Der fragte mich dann, ob ich Adelheid Heinen sei. Keiner nennt mich so. Alle sagen Heidi", erklärt sie verschmitzt. Ihr ist die Auszeichnung "irgendwie peinlich". Sie meint: "Ich weiß gar nicht, wer mich dafür vorgeschlagen hat." Nach ihrer Meinung sei eine Würdigung auf Gemeindeebene ausreichend. Sie hält ihr soziales Engagement für "normal". Dabei laufen seit Jahrzehnten bei ihr die Fäden der Frauengemeinschaft zusammen. Seit 30 Jahren ist sie im Vorstand und seit gut 22 Jahren Vorsitzende. Die 124 Mitglieder sind ihr ans Herz gewachsen. Sie nennt sie liebevoll "meine Frauen". Dazu kommen noch "meine Alten" und "meine Kinder" - gemeint sind Fremde, keine Verwandten. Die 74-Jährige lebt seit 55 Jahren in Lissendorf, als Heimatvertriebene aus Pommern. "Kleinen Kindern, alten und kranken Menschen zu helfen, ist für mich einfach Herzenssache", erklärt die zweifache Mutter. Ein Bild im TV, das barfüßige Flüchtlingskinder zeigt, rührte sie. Kurzum, Heinen nahm es mit in den Handarbeitstreff. "Jetzt stricken alle 18 Frauen nur noch Socken aus gespendeter Wolle. 2000 Stück haben wir schon mit Eifellicht nach Russland in Waisenhäuser geschickt", freut sich die dreifache Oma. Ehrensache, dass in ihrem Keller die Kartons für die Brillensammlung stehen oder sie Lagerräume für Kleiderspenden besorgt und Spenden für Aktionen wie Babykorb, Nestwärme oder Villa Kunterbunt organisiert. Nebenbei kümmert sie sich immer wieder um pflegebedürftige Senioren. Heinen fordert: "Mehr Leute müssten in diesem Bereich Nächstenliebe praktizieren. Denn manchmal reichen schon Kleinigkeiten, mal Zeit für einen Besuch, für ein Kartenspiel oder ein liebes Gespräch." Man nennt sie auch "Mutter Theresa"

Kein Pfarrfest oder Basar zu Gunsten der Kirche, Orgel oder Kindergarten geht ohne ihre Mithilfe über die Bühne. Auch beim großen Dorfjubiläum gehörte sie zum Organisationsteam. Mit ihrer ruhigen Art schafft sie es, Leute und oft auch Außenseiter zu motivieren. "Ja, für dich mache ich das", habe sie schon oft gehört. Der Ex-Bürgermeister habe sie mehrmals "Mutter Theresa" genannt. Ihre kleine Statur (1,59 Meter) und der leise Ton runden das Bild ab. "Och, von wegen leise, ich lache doch immer ganz laut", wiegelt sie ab. Ihr Humor ist sicherlich eine weitere Zutat ihres Erfolgsrezepts. Denn lange bevor der amerikanische Psychologe und Havard-Professor Daniel Goleman vor zehn Jahren die "emotionale Intelligenz" (EQ) berühmt machte, hat Heidi Heinen sie angewendet. In unverwechselbarer Manier versteht sie es, Menschen zu nehmen und zu führen. Ihr wird so rasch kein Wunsch abgeschlagen. Ohne harsche Worte schafft sie ihre Vorhaben. Schreiend hat man Heidi Heinen noch nie erlebt. Sie nickt: "Ich kann mich nicht an irgendeinen Streit erinnern." Fast hätte sie die Auszeichnung des Landes ausgeschlagen. Ihre Tochter habe sie überredet. Gemeinsam fahren sie heute nach Mainz. Welchen Ehrenplatz die Staatsmedaille bekommt, steht noch nicht fest. Heinen: "Das überlege ich mir noch. Außer Karnevalsorden habe ich noch nie eine Medaille bekommen."

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