Kleine Störenfriede bekommen in Bitburger Grundschule Hilfe

Bitburg · An der Grundschule Bitburg-Nord läuft seit einem halben Jahr sehr erfolgreich ein Projekt, bei dem Schüler mit sozialen und emotionalen Schwierigkeiten unterstützt werden. Rektorin Liane Gorges glaubt, dass dieses Modell auch auf andere Grundschulen im Eifelkreis Bitburg-Prüm übertragbar wäre.

Lachen, rennen, toben: Die 169 Kinder der Grundschule Bitburg-Nord haben große Pause und spielen auf dem Schulhof. Dann läutet es - alle laufen zurück in ihre Klassenräume. 18 Kinder setzen sich auf ihre Stühle und sind wieder aufnahmebereit für die nächste Stunde, nur Paul und Anna toben noch herum, als die Lehrerin den Raum betritt. Sie machen auch nach mehreren Ermahnungen nur Blödsinn, stören die anderen Kinder und lassen sich nicht beruhigen. Dies ist eine fiktive, noch harmlose Situation, die aber so oder so ähnlich in den Grundschulen an der Tagesordnung ist.

Und manchmal kommt es eben noch schlimmer: "Einige Kinder fühlen sich bedroht, wenn die Lehrkräfte ihnen die Grenzen aufzeigen. Sie beißen und schlagen um sich, schmollen, zerstören Gegenstände oder wollen weglaufen", sagt Liane Gorges, Rektorin an der Grundschule Bitburg-Nord.

Dass die Kinder sich nicht mehr in Gruppen einordnen wollen, könne viele Gründe haben, sagt sie. Ob Wahrnehmungsstörungen, Trennungsängste, Hochbegabung, psychischer Druck - manche Kinder seien so belastet, dass sie oft nicht mehr wüssten, wie sie in der Schule mit schwierigen Situationen klarkommen sollen. Das Problem sei, dass die Klassenlehrerin alleine ist und es dann nicht immer schaffe, die Situation zu deeskalieren. "Das ist für die Lehrkraft dann sehr belastend", beobachtet die Schulleiterin. Sie glaubt, dass es diese Problematik auch an anderen Grundschulen gibt.

"Da ich eine Verantwortung habe gegenüber den Kindern, den Eltern aber auch gegenüber den Lehrern, wollte ich dieses Problem angehen, aber es gibt keine Ressourcen dafür." Will heißen, von keiner Seite gibt es Geld, um eine zusätzliche pädagogische Kraft einzusetzen.

Mit der Unterstützung des Fördervereins, der Schulelternschaft und vieler Sponsoren ist es Gorges in Zusammenarbeit mit dem Palais Eifel (Fachdienst für spezielle Hilfen im Kindes- und Jugendalter) gelungen, dennoch ein Konzept umzusetzen, bei dem schon im ersten und zweiten Schuljahr die Probleme angegangen werden. So kommt seit einem halben Jahr der Sozialpädagoge Bruno Kessler in die einzelnen Klassen, um in der Gruppe Lösungen zu suchen. "Ich will meine Hilfe nicht auf einzelne Kinder reduzieren, die Gruppe ist die Basis. Bei Störungen kann ich sehr früh einschreiten, Gespräche führen, Fragen beantworten. In der Zeit kann sich die Lehrerin auf den Unterricht konzentrieren. So nehme ich auch Druck von ihr", sagt Kessler.

Und das klappt anscheinend sehr gut. Renate Schmitz vom Förderverein und Lidia Kasimir vom Schulelternbeirat bestätigen, dass sich die Situation entspannt hat. "Für mich sind gesunde Lehrerinnen wichtig. Die Kinder gehen wieder glücklich zur Schule", sagt Lidia Kasimir, deren zwei Kinder die Einrichtung besuchen.

"Der Erfolg gibt uns Recht", sagt die Rektorin. "Für mich als Chefin ist es schön zu sehen, dass die Kolleginnen wieder aufatmen und die Kinder wieder in Ruhe lernen können." Bruno Kessler kommt zehn Stunden in der Woche. Die 8000 Euro Kosten im Jahr finanzieren sich bislang aus Spenden. Für das nächste Jahr ist die Finanzierung noch offen. Da Gorges glaubt, dass es auch an anderen Schulen ähnliche Probleme gibt, hofft sie, dass der Eifelkreis Bitburg-Prüm ihr Modell unterstützt und auch an anderen Schulen einführt. Auch Frank Pfeiffer vom Palais Eifel ist der Meinung, dass Teile der Jugendhilfe in die Schulen verlagert werden sollten. "Man könnte noch mehr präventiv arbeiten, wenn man frühzeitig mehr Zeit investieren würde." Er glaubt, dass sich dies letzten Endes auch finanziell auszahlen würde.

Michael Billen, erster Kreisbeigeordneter und Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses, lobt ausdrücklich das Projekt. Er weiß, dass die Schule oft gesellschaftliche "Reparaturarbeit" leiste. Lehrer alleine könnten das Problem nicht lösen. "Das Kind kann nichts dafür, wenn sein Umfeld versagt", sagt Billen. Es sei Aufgabe der Politik, nach den Kindern zu gucken. Deswegen gebe es an Realschulen plus schon Schulsozialarbeiter, und man wolle auch verstärkt in den Kindergärten präventiv arbeiten. Aber es sei auch das Land gefordert, denn die Inklusion sei originäre Schulpolitik. Er könne das Modell nicht eins zu eins auf den kommunalen Haushalt übertragen. "Wir schauen mal, wie groß die Zufriedenheit noch nach einem weiteren halben Jahr ist", sagt er.
Meinung

Zeit für neue Konzepte
Von Stefanie Glandien

Wie hat das früher bloß funktioniert, als in der Dorfschule noch alle Kinder zusammen von einem Lehrer unterrichtet wurden? Und heute, wo die Kinderzahl immer stärker sinkt, wachsen die Probleme. Zu Hause, in den Kindergärten und in den Schulen. Da reichen ein oder zwei Störenfriede, um den ganzen Unterricht zu schmeißen, Lehrer an den Rande des Wahnsinns zu treiben und Eltern in die Ohnmacht. Es reicht aber nicht, zu lamentieren, früher sei alles besser gewesen und der guten alten Zeit nachzutrauern. Wir brauchen Menschen wie Liane Gorges, die sich Gedanken machen und mutig Konzepte ausprobieren. Und dafür muss es Unterstützung geben. Schön, wenn das über Spenden eine Zeit lang funktioniert. Wenn das Land Inklusion von Förderschülern wünscht, soll es die auch bezahlen. Traurig genug ist, dass die Schulen mit dieser Aufgabe anscheinend allein gelassen werden.

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