Kraft schöpfen aus dem Kraftfeld

PRÜM. Mit Zustimmung und Skepsis haben die Zuhörer auf einen Vortrag zur Familientherapie nach Bert Hellinger im Ratssaal der Verbandsgemeinde Prüm reagiert. Maria Gudrich-Senftleben referierte auf Einladung der Volkshochschule Prüm.

Mehr als 100 Besucher meist mittleren Alters kamen ins Prümer Rathaus, um sich über so genannte Familienaufstellungen zu informieren. Die große Resonanz belohnte Ludwig Dores, den pädagogischen Leiter der Volkshochschule (VHS), für seinen Mut zu dem außergewöhnlichen Angebot. Die 51-jährige Künstlerin Maria Senftleben-Gudrich arbeitet gemeinsam mit ihrem Mann Jürgen Gudrich (55), der in Trier und Freiburg in eigener Praxis als Psychotherapeut tätig ist. Sie bieten unter anderem Seminare nach Methoden von Bert Hellinger an. Hintergrund ist die Erkenntnis, dass schlimme, nicht verarbeitete Schicksale das System Familie belasten. Aufstellungen sollen diese Belastungen aufheben und Kraft zur unbeschwerten Entfaltung geben. Hellinger therapiert auf der Basis von Erkenntnissen über die typische Dynamik innerhalb einer Familie. So kommt es zum Beispiel vor, dass ein Mitglied einer späteren Generation unbewusst das Verhalten eines Vorfahren nachahmt.Heilende Wirkung der neuen Ordnung

Wie funktioniert eine Aufstellung? Zunächst schreibt die betroffene Person von allen Mitgliedern ihres Systems die Namen sowie die Geburts- und eventuelle Todesdaten auf. Dazu gehören zum Beispiel Eltern, geschiedene Elternteile, neue Partner der Eltern, Großeltern, Geschwister und Kinder. Dabei besteht die Gefahr, dass vermeintliche "schwarze Schafe" oder Verstorbene aus Scham oder Trauer ausgeklammert werden. Der Betroffene wählt aus einer Gruppe Stellvertreter für die Mitglieder seiner Familie und stellt sie in einem Raum auf. Die Vertreter spüren angeblich in einer Art Kraftfeld positive oder negative Strömungen. Sie äußern ihre Gefühle und geben so dem Betroffenen Gelegenheit, die Positionen und damit das Kraftfeld zu verändern und zu verbessern. Der Therapeut sucht zuvor im Gespräch mit dem Klient die verwundete Stelle im System. In einem Filmbeispiel war der Großvater des Betroffenen früh gestorben. Der Vater und der Betroffene selbst litten unter depressiven Phasen und hegten sogar Suizid-Gedanken. In der Aufstellung spricht der Enkel mit dem Vertreter seines verstorbenen Großvaters, umarmt ihn und bricht dabei in Tränen aus. Er verspricht, Vater und Großvater sowie ihre Werke in Ehren zu halten. Seiner Frau und seinen Kindern sagt er: "Auf mich ist Verlass." Senftleben-Gudrich: "Auf diese Weise etabliert er eine neue Ordnung. Das hat eine heilende Wirkung, wenn der Klient es zulässt und sich nicht verschließt."Aus Denkstrukturen ausbrechen

Im Anschluss an den Vortrag verwiesen einige Zuhörer auf Schwierigkeiten, das jeweilige Problem zu Tage zu fördern und Informationen über kaum bekannte Familienmitglieder einzubringen. Die Referentin bekräftigte ihre Aufgabe, ein Problem konkret zu machen, um einen klaren Auftrag zu bekommen. Beim ernsthaften Nachdenken fielen Klienten viele Dinge ein, und sie fänden auch Mut zum Nachfragen bei Verwandten. Welche Rolle etwa eine Fehlgeburt spiele, hänge vom Einzelfall ab. Manche hätten sie relativ gut verarbeitet, für andere lebe das im Mutterleib gestorbene Kind in einem später tatsächlich geborenen weiter. Die zentrale Frage des Abends betraf erwartungsgemäß das Kraftfeld, in dem die Stellvertreter agieren. "Wir wissen nicht, warum Fremde in der Lage sind, etwa Wärme und Kälte zu spüren", sagte Senftleben-Gudrich mit entwaffnender Offenheit. Ihr persönlicher Erklärungsversuch orientiert sich daran, dass jeder gewisse Erfahrungen in Familie und Umfeld gemacht habe und sich deshalb in die Situation einer anderen Familie hinein versetzen könne. Die so genannten Körpersensationen, die Empfindungen, seien je nach Standort in einer Aufstellung wirklich sehr unterschiedlich. Die Aufstellung mit allen direkt Betroffenen statt mit Stellvertretern zu machen, sehe die Methode bewusst nicht vor. Das mache die Teilnehmer betriebsblind. Jürgen Gudrich: "Es geht gerade darum, aus den bestehenden Denkstrukturen auszubrechen." Die Aufstellungen sind grundsätzlich am Positiven orientiert. Je nach Bedarf werden sie mit Einzelarbeit flankiert, in der auch das Negative offen angesprochen und zum Beispiel die Wut herausgelassen wird. Psychotherapeut Gudrich empfiehlt Neulingen, vor der eigenen Aufstellung erst einmal die Rolle eines Stellvertreter in einem anderen System zu spielen.

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