Kyllburg auf der Suche nach der Zukunft

Kyllburg · Wann genau der Zug in Kyllburg abgefahren ist, ist schwer zu sagen. Tatsache aber ist: Die Kyllburger haben ihn verpasst. Läden stehen leer, Touristen bleiben weg, Gebäude und Straßen sind sanierungsbedürftig. Auf einem Stadtspaziergang mit dem TV hat Bürgermeister Wolfgang Krämer erzählt, was ihm auf dem Herzen liegt und wovon er träumt.

Kyllburg. Ein trüber Vormittag in Kyllburg. Nur wenige Autos sind unterwegs, die Menschen huschen über die Straße, um gerade das Notwendigste zu erledigen. Kaum einer bleibt auf ein Schwätzchen stehen. Wo auch? Die Kyllburger Hochstraße, die eigentlich die gute Stube der Stadt sein könnte, ist wenig einladend. "Hier muss dringend saniert werden", sagt Wolfgang Krämer. "Ich wünsche mir eine aufgelockerte, strukturierte Gestaltung mit wenig parkenden Autos und viel Raum für Menschen. Dazu gehören Bänke, viel Grün und natürlich ein Brunnen. Denn Wasser gehört von jeher zu Kyllburg." Das mag wahr sein, aber die Zeiten, als Touristen in Scharen kamen, um in Kyllburg zu kneippen, sind längst vorbei. Der Titel "Kneippkurort" ist Vergangenheit, nur das Attribut "Luftkurort" ist geblieben.
Aber von guter Luft allein fließt auch kein Geld in die Kassen, weder in die der mit 3,8 Millionen Euro verschuldeten Stadt Kyllburg noch in die der Geschäfte, die infolgedessen nach und nach geschlossen haben. "Wir haben versucht, auf der Schussfahrt zu wenden", zitiert Krämer aus einem Lied von Herbert Grönemeyer. "Aber es ist schwer."
Mit einer offensiven Leerstandsinitiative wehren sich die Kyllburger gegen die weitere Verödung - und haben erste Erfolge: Es kehrt wieder Leben ein ins ehemals renommierte Hotel Eifeler Hof. Hotel und Gastronomiebetrieb laufen bereits, eine Physiotherapiepraxis ist eingezogen und im Frühjahr wird die Caritas eine Pflegewohngemeinschaft eröffnen. In der Bahnhofstraße hat sich ein international tätiger Betrieb angesiedelt; auf der Hochstraße wurde im April 2013 die erste Geschäftseröffnung gefeiert. Eine Niederländerin hatte Mut und bietet in einem Shop-in-Shop die Möglichkeit, Ladenfläche zu mieten und eigene Produkte zu verkaufen. Im Gegenzug arbeiten alle Beteiligten stundenweise im Laden mit. Eine Art Kooperative, die so einiges bietet - "vor allem aber einen Treffpunkt und die Gelegenheit, ein paar Worte zu reden", freut sich der Bürgermeister.
"Nur so können wir die Menschen auch hier halten", sagt er und hat dabei gerade die Jugendlichen im Blick - nur 15 Prozent der knapp 950 Einwohner sind jünger als 20 Jahre. "Wir müssen sie anhören, ernst nehmen, beteiligen und ihnen zeigen: Es ist schön, hier zu leben."
Dazu sind auch gute Infrastrukturbedingungen notwendig: Die Autobahn führt nahe am Ort vorbei, der Bahnhof wird saniert, das Land finanziert einen Treppenturm zur Querung der Gleise - allerdings nicht behindertengerecht, wundert sich Krämer. Auch die Zugverbindung ist seiner Ansicht nach weiter ausbaufähig: "Ich träume vom Eifel-Sprinter, der uns von hier in einer Stunde und zehn Minuten nach Köln bringt." Ein großer Wunsch, weiß er, und gibt sich sogleich eine Nummer bescheidener: "Ein zweiter Fahrkartenautomat auf dem Bahnsteig in Fahrtrichtung Gerolstein wäre auch schon super." Derzeit gibt es nur einen Automaten; Fahrkarten sind auch erhältlich im nahen Supermarkt - aber nur während der Öffnungszeiten.
Und noch etwas liegt dem Bürgermeister auf dem Herzen: das Freibad. Vor 27 Jahren letztmals saniert, ist dort mittlerweile ein hoher Investitionsstau entstanden: Die Becken sind undicht, Sanitäranlagen und Technik veraltet. In einer Unterschriftenaktion schließen sich die Kyllburger bereits zusammen, um für den Erhalt zu kämpfen.
Genau solches Engagement macht Wolfgang Krämer Mut. "Nur mit aktiven Bürgern und mit Unterstützung der Verwaltung können wir das Leben in Kyllburg wieder attraktiv machen." Wie heißt es bei Grönemeyer im selben Lied? "Ich bin viel zu träge, um aufzugeben. Es wär\' auch zu früh, weil immer was geht."Extra

Die Stadt Kyllburg hat sich für 2015 um die Fördermaßnahme "Historischer Ortskern" beworben. Ihr Ziel: den Ortskern sanieren und beleben unter baulichen und sozialen Aspekten. Bei Aufnahme in das Programm gibt es für die Stadt Zuschüsse von 70-80 Prozent. Auch private Bauherren erhalten finanzielle Unterstützung. Zudem wird der Stadtrat im Januar über den Strategie-Check der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz entscheiden. Dieser mit 35 000 Euro vom Land finanzierte Check soll nach Auskunft von Bürgermeister Krämer im Frühjahr 2015 starten und eine fundierte Analyse des Lebens in Kyllburg liefern. Darauf aufbauend können dann konkrete Modelle für die Zukunft der Stadt entwickelt werden. wiw

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