Lügen, Sexappeal und Video

BITBURG. Trotz vieler Warnungen fallen immer wieder Bürger auf Hauswurfsendungen mit Gewinnversprechen herein. Der TV wollte es genau wissen und ging zur "Gewinnübergabe", die mit einem Besuch der Polizei endete.

Keine zwei Wochen nach dem TV-Bericht über Verkaufs-Nepp in Bitburg hat Xenia Müller (Name geändert) schon wieder den Briefkasten voll mit Einladungen zu Gewinnübergaben. "Für Sie ist ein Betrag von 190,53 Euro gelistet. Dieser Betrag steht Ihnen in vollem Umfang zu", schreibt die Treuhand Verwaltungsgesellschaft TVG, die angeblich mit der Abwicklung der Firma Reise-Center Deutschland beauftragt ist. Bei Teilnahme an der Veranstaltung außerdem kostenlos: reichhaltiges Frühstück; für die Dame ein komplettes Kochtopf- und Kochgeschirr-Set mit allem Drum und Dran; für den Herrn ein Akkuschrauber-Set inklusive Koffer, Ladestation, Bits und Bohrer; für Ehepaare ein hochwertiger Gold-Besteck-Kasten. Die Krönung: für jeden ein nagelneuer DVD-Player.Moderator biedert sich an

Diesmal machen wir die Probe aufs Exempel und gehen gemeinsam zur Veranstaltung in einem Bitburger Gasthaus. 15 "Gewinner", meist Rentner, warten ab 9.30 Uhr bei Schlagermusik vom Band gespannt auf die Auflösung. Kurz vor 10 Uhr gibt es Kaffee und ein belegtes Brötchen. Gegen 10.15 Uhr betritt endlich Moderator Markus den Raum. Schlank, braun gebrannt, fein gekleidet. Der symphatische Sunnyboy flirtet sofort mit dem Publikum, setzt seinen Sexappeal gezielt ein. Erzählt von seiner Familie, seinem Job und dem schwülen Wetter. Anders ausgedrückt: Er lullt die Leute ein, biedert sich an. Offensiv klingt auch sein Umgang mit den Gewinnzusagen: "Wir halten alles ein. Mit einer Ausnahme." Als "Kochtopf-Set" habe die Firma ihm Frischhalte-Plastikdosen mitgegeben. Um seinen Gästen etwas Gutes zu tun, habe er statt dessen ein Maniküre-Set besorgt. Das Vorführexemplar verschenkt Markus gleich an einen Gast. Auch ein Schrauber-Set hält der Moderator hoch, wenn auch ohne Schrauber, den er gerade nicht zur Hand hat. Den attraktiv verpackten DVD-, CD- und MP3-Player sollen diejenigen Gäste bekommen, die ihn unterstützen. Aha. Wir müssen also aufmerksam zuhören. Gegen 10.50 Uhr kommt Markus zum Hauptthema des Tages: Produkte der Firma B & T Biosystems. Eine blau-milchige Anionen-Lampe soll nicht nur als Design-Stück die Wohnung verschönern und erhellen. Die neuartige Technik soll Schmutz- und Rauchpartikel aus der Luft binden und zudem noch einen lieblichen Duft verströmen. Kostenpunkt: schlappe 248 Euro. Die angebliche Wirkung demonstriert Markus mit einem geschlossenen Plastik-Behälter, aus dem Zigaretten-Qualm wie durch Zauberhand verschwindet. Als absolutes Top-Produkt preist der Moderator "alacritas" an. Das "natürliche Nahrungsergänzungsmittel ohne Nebenwirkungen" soll gleich sechs Kuren vereinen. Um seinen Argumenten Nachdruck zu verleihen, zaubert er unzählige Bücher hervor. Darin verteufeln mehr oder weniger prominente Autoren meist die Pharma-Industrie. Seltsam: Einen positiven Eintrag zu "alacritas" kann Markus anscheinend nicht vorweisen. Auf der Packung taucht nicht der Hersteller, sondern nur eine Vertriebsgesellschaft auf. 1800 Euro soll eine Jahresration regulär kosten. Das Tages-Sonderangebot: 248 Euro für drei Monatspackungen, die für ein halbes Jahr Kur reichen. Ein Gast greift tatsächlich zu und verschwindet zum Einzelgespräch im Nebenraum. Nach einer Pause vertickt Markus "Q10-Balsam" plus Plüsch-Teddy für 14,95 Euro pro Dose. Nachdem jeder Gast noch zwei Euro Eintritt bezahlt hat, herrscht beim Verteilen der Gewinne Ernüchterung: Das Maniküre-Set ist von minderer Qualität, den Akku-Schrauber gibt es gar nicht, und den DVD-Player bekommt nur ein Gast. Der "Scheck" über 190,53 Euro entpuppt sich als Reisegutschein. Er kann auf einen Trip nach Schlesien oder Pommern angerechnet werden, aber nur bei Sofort-Buchung. Unmut macht sich breit. Als die von einem Gast alarmierte Polizei-Streife eintrifft, tun Markus und sein Kollege so, als verstünden sie die Welt nicht mehr. Sie glauben, mit den klein gedruckten Worten "Änderungen vorbehalten" auf der Einladung sauber aus der Nummer heraus zu kommen. Doch so einfach ist die Rechtslage nicht (siehe Extra). Beim Nachhaken an der Rezeption stellt sich heraus, dass eine Buchungsgesellschaft den Raum reserviert hatte. Die Polizei will diese Firma schriftlich nach ihrem Auftraggeber fragen. Je nach Ergebnis wird die Staatsanwaltschaft über das weitere Vorgehen entscheiden.Was brennt Ihnen auf den Nägeln? Mailen Sie uns Ihr Thema an thema@volksfreund.de. Wir bringen es voran.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort