Mit einem Heftchen fing alles an

Die Projektreihe der Kreisvolkshochschule Bitburg-Prüm und der Schloss-Weilerbach-Gesellschaft "Literatur im Schloss" startete mit der Lesung der Herforster Autorin Rosi Nieder. Moderiert wurde der literarische Abend von dem Literaturwissenschaftler Klaus-Peter Walter im noblen Ambiente des Schlosses Weilerbach.

Weilerbach. (red) Wenn Rosi Nieder aus ihrem ersten Buch "Kai freut sich" liest, lauscht das Publikum wie gebannt. Drei Bücher hat die Eifel-Autorin bereits geschrieben. Schonungslos beschreibt sie in ihrem ersten ihre Erfahrungen mit einem behinderten Kind, mit dem Sohn, den sie so nicht haben wollte. Ein Abgrund tat sich auf, als sie erfuhr, dass ihr zweites Kind immer ein kindliches Gemüt haben wird. Aber so wie Kai sich über Astrid Lindgrens Geschichten freut, freut sich das Publikum über die unbedarfte Freude und den Humor eines behinderten Kindes. Es spürt, dass Lebensfreude das Erstrebenswerte im Leben eines Menschen ist. Kai ist glücklich, weil er ungehindert Freude zeigen kann und damit andere ansteckt. Und Kai ist bei den Lesungen der Mutter dabei und erst recht bei den Liedern seiner Schwester Judith, die er alle auswendig kennt.Wie eine Mutter von drei Kindern in einem Eifeldorf zur Autorin wird, will Klaus-Peter Walter wissen. Alles habe mit kleinen Heftchen angefangen. Neben der belastenden Sorge um ein behindertes Kind habe es auch immer wieder rührende Glücksmomente gegeben, die sie festhalten wollte. "Durch Kai sind wir eine lustige Familie geworden, weil wir uns an kleinen Dingen gefreut haben", erzählt Rosi Nieder.Ob der Einblick in die Familie kein Problem für sie sei, fragt Moderator Walter. Offenheit gehe ihr über alles, erklärt Rosi Nieder. Deshalb sichere sie sich in einer Familienkonferenz ab, um Konflikten vorzubeugen."Hochauflösende Beobachtungsgabe"

Ihr erster Roman "Silvesterknaller" dreht sich nicht nur um einen Vulkanausbruch, sondern auch um Freundschaft und um die Veränderung von Einstellungen der Menschen in den letzten 50 Jahren. Wenn Rosi Nieder zurückblickt, erinnert sie sich an unbedeutende Erlebnisse: Wie die Brause am Finger auf der Zunge köstlich zischt, an das Schlachten auf dem Bauernhof, aber auch an die verletzende Ausgrenzung von Kindern ohne Vater durch das diskriminierende Wort "unehelich". Literaturwissenschaftler Walter kennzeichnet ihre Art der Wirklichkeitsdarstellung als "hochauflösende Beobachtungsgabe". Während in Nieders Roman die Erde Feuer spuckt, geht die Heimat in den Liedern ihrer Tochter Judith nicht unter, sondern klingt weiter. Sätze wie: "Plötzlich weiß ich, das ist Heimat" klingen aus ihrem Mund authentisch. Ihre Liedauswahl passt zum Geschmack der 60er Jahre und verstärkt den literarischen Blick zurück. Aber wenn Judith Lieder ihrer neuen CD singt, empfindet man die Gegenwart stärker und lässt keine vordergründige Nostalgie zu.{routv} TV-Redakteur und Autor Manfred Reuter wird am Freitag, 29. Juni, in Schloss Weilerbach seinen Roman "Der Kirchenmann" und Kurzgeschichten präsentieren.

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