"Muss denn erst was passieren?"

Bitburg · Viele Einwohner und auch der Gemeinderat eines kleinen Eifeldorfes sehen in einem psychisch kranken Dorfbewohner eine Bedrohung. Denn dieser hat schon mehrere Straftaten begangen. Sie fordern von den Behörden, dass der Mann entweder ordentlich betreut oder dauerhaft in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wird.

Bitburg. "Wenn ich nachts ein Geräusch höre, schrecke ich sofort auf und denke: Er ist es", sagt die Nachbarin eines psychisch kranken Mannes. Die 66-Jährige und ihr Mann, nennen wir sie Erika und Max Mustermann, leben in einem Eifeldorf ständig in Angst und Furcht. Denn ihr Nachbar hat schon so einiges auf dem Kerbholz. Er hat bereits mehrfach Straftaten - darunter Körperverletzungen, Sachbeschädigungen, Beleidigungen und Bedrohungen - begangen und hat deshalb mehrere Strafverfahren laufen. Er wurde zweimal über mehrere Wochen in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Doch - zum Leidwesen vieler Dorfbewohner - wieder entlassen. Traktor als Waffe

Seine Nachbarn können mehrere Beispiele nennen, in denen sich der alleinlebende Mann in den vergangenen zwei Jahren strafbar gemacht hat: Er soll mit dem Vorschlaghammer im Dorf Scheiben eingeschlagen, mit dem Traktor andere Fahrzeuge gerammt und platt gefahren und bei einer Verfolgungsjagd mit der Polizei die Tür eines Streifenwagens abgefahren haben. "Der Polizist konnte sein Leben in letzter Sekunde durch einen Sprung retten, weil er Gas gegeben und draufgehalten hat", sagt Max Mustermann. Dazu kommen unzählige Drohungen und Beleidigungen: "Du wirst schon sehen, was ich noch mit dir anstelle" oder "Ich schlag dich freckt" soll er seinem Nachbarn ohne Grund gedroht haben. "Wenn ich draußen Schnee schaufeln gehe, habe ich schon ein mulmiges Gefühl", sagt der Nachbar.Bei anderen Dorfbewohnern soll der Mann am Abend plötzlich mit einem Vorschlaghammer in der Hand an der Haustür geschellt haben. "Da ist er aber an die Falschen geraten. Mehrere Männer haben die Tür geöffnet und ihm gesagt, er solle sich vom Acker machen", erzählt der Nachbar.Dass es sich bei diesen Erzählungen nicht um Eifelkrimis handelt, die sich die Mustermanns aus der Nase gezogen haben, um ihrem Nachbarn eins auszuwischen, bestätigt auf Nachfrage die Polizeiinspektion Bitburg, "die schon öfters mit dem Herren zu tun hatte", und auch der Ortsbürgermeister der Gemeinde: "Die Bevölkerung ist in großer Sorge über das Verhalten dieses Mannes. Seine Aggressionen gegen zahlreiche Dorfbewohner mündeten darin, dass er seinen Traktor als Waffe benutzt hat und dabei einem Menschen eine Körperverletzung zugefügt hat", sagt der Ortsbürgermeister. Der Gemeinderat hat wegen des psychisch kranken Mannes bereits die Verbandsgemeinde, den Eifelkreis, die Landesregierung sowie das Amtsgericht Bitburg angeschrieben und wegen dieser "unhaltbaren Situation" um Rat und Hilfe gebeten. Doch passiert ist nichts. "Vom Amtsgericht Bitburg als dem Betreuungsgericht habe ich keine Antwort erhalten", sagt der Ortsbürgermeister. Der TV hat nachgefragt. Helmut Mencher, Direktor des Amtsgerichts, kann sich aus "Gründen des Persönlichkeitsschutzes" zwar nicht zum konkreten Fall äußern, sagt aber: "Da die Unterbringung in einer Psychiatrie ein ganz gravierender persönlicher Eingriff ist, ist notwendig, dass die Art der Gefährdung Gewicht hat. Bloße Lästigkeit genügt nicht." Sofern konkrete Anhaltspunkte bestehen oder ein Betroffener das beantragt, könne aber grundsätzlich geprüft werden, ob eine Betreuung eingerichtet werden kann, sagt Mencher. "Solche Tatsachen können auch von einem Ortsbürgermeister mitgeteilt werden. Dieser ist jedoch nicht am Verfahren beteiligt und wird daher auch nicht über den Gang des Verfahrens unterrichtet", sagt Mencher, der damit weder verneint noch bestätigt, ob im konkreten Fall ein Betreuungsverfahren läuft.Die Kreisverwaltung in Bitburg lässt wissen, "dass gegenwärtig seitens der Behörde bedauerlicherweise keine befriedigende Lösung angeboten werden kann - allenfalls eine Betreuung durch den sozialpsychiatrischen Dienst, die dem Betreuten in Rechts- und Behördenangelegenheiten und in der Gesundheitssorge helfen." Pfefferspray zum Schutz

"Muss denn erst was passieren und ein Mensch zu Schaden kommen, bevor gehandelt wird?", fragt die Nachbarin. Es wäre ja auch für das Wohl und die Gesundheit des psychisch kranken Mannes förderlich und letztlich in seinem eigenen Interesse, wenn er betreut werde. "Wenn jemand überprüft, dass er regelmäßig seine Medikamente nimmt und etwas zu essen hat?" Denn eigentlich sei er ja eine arme Socke, meint die Nachbarin. "Trotzdem gehe ich aus Furcht nicht mehr alleine in den Garten arbeiten und habe mir zum Selbstschutz Pfefferspray gekauft." Das Leben mit der Angst koste sie und ihren Mann viel Kraft und Mut. "Wenn die Behörden alle so richtig handeln", sagt sie, "dann hat unser Gesetz Lücken."

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