"Nett, jung, beliebt" erobert Platz im Rat

Auf dem Tisch lagen Gummibärchen, aus den Lautsprechern tönte Kölschrock von Bap. Es war ein Buß- und Bettag, als sich damals, genau am 16. November 1988, ein paar junge Leute in Bitburgs "Lindenhof" trafen und die Liste Streit gründeten.

Bitburg. Angefangen hat alles im Sommer 1988. Damals traf sich eine Gruppe um die Studenten Joachim Streit und Rudolf Rinnen regelmäßig im Bitburger Schwimmbad. "Da saßen wir auf der Terrasse und diskutierten über den geplanten Umbau", erzählt Streit, den damals alle "Ökki" nannten - eine Mischung auch "Jokki" und "Öko". "Die ersten Umbau-Pläne waren im Vorraum angeschlagen. Erst zwei, später vier - die Nummer drei, das war der komplette Abriss", sagt Rinnen. Doch der Stadtrat habe aus Spargründen das Schwimmbad dann hinten angestellt. Rinnen: "Das war eine echte Hängepartie." Keine Frage: Was, wie und warum sich in dem Schwimmbad zu ändern hätte, das wussten die debattierfreudigen "Jungspunde" ganz genau.

Eine etablierte Partei kam nicht in Frage



"Irgendwann meinte der Rudi, dass wir eigentlich in den Stadtrat müssten", sagt Streit. Einer etablierten Partei wollte man sich nicht anschließen. Zu mühselig und langwierig schien den "jungen Wilden" die Ochsen-Tour, um einen aussichtsreichen Listenplatz zu ergattern.

Streit, der wegen einer Knie-OP etwas außer Gefecht gesetzt war, bot an, sich mal zu erkundigen, wie das so geht, eine Liste zu gründen. Später sagte Rinnen dann: "Jetzt hast du die ganze Arbeit gemacht, dann führ' du die Liste auch an." So war die Liste Streit geboren. Das Gründungs-Treffen folgte am 16. November 1988.

Reinhold Fabry von der Stadtverwaltung stand den Nachwuchs-Politikern, die im Umgang mit Behörden eher unerfahren waren, mit Rat und Tat zur Seite. Und so erfuhr die Gruppe auch, dass mindestens 80 wahlberechtigte Bürger ihre Unterschrift geben müssten, bevor die Liste bei der Kommunalwahl im Juni 1989 antreten dürfte. Erster Erfolg: In nur fünf Wochen hatten mehr als 90 Bürger im Wahlamt der Stadtverwaltung unterschrieben - unter ihnen nicht nur junge Menschen, sondern auch etliche ältere Semester.

Mit Wahlzetteln, die Rinnen von Hand mit Tusche und Schablone gefertigt hatte, ging es unter dem Slogan "nett, jung, beliebt" für genau 36,48 Mark in den Wahlkampf.

Und die neue Gruppe schaffte es auf Anhieb, mit zwei Mann in den Rat einzuziehen - "Ökki" Streit und Rudi Rinnen. "Mir hat das Herz geschlagen vor der ersten Sitzung", sagt Streit. Und Rinnen erinnert sich, wie "die Neuen" gleich bei der ersten Abstimmung unterschiedlicher Meinung waren. "Was will man von einer Schwimmbad-Partei auch schon erwarten", hätte es darauf lästerlich geheißen.

Zur Vereinsgründung kam es im Jahr 1990



"Nachdem wir das Kommunalwahl-System dann so ein bisschen kannten, haben wir uns 1990 als Verein gegründet", sagt Rinnen. "Wir wollten die Zukunft der Stadt, in der wir leben, mitgestalten. Das müsste eigentlich jeder wollen", sagen die beiden Weggefährten und raten jungen Leute, sich ebenfalls politisch zu engagieren - im Zweifelsfall mit einer eigenen Liste.

Umtrunk: Anlässlich ihres 20-jährigen Bestehens lädt die Liste Streit am Sonntag, 30. November, ab 11 Uhr ins "Coyote"-Café zu einem Umtrunk mit Jazz-Musik ein. EXTRA Von zwei auf sieben: In ihren Anfängen setzte sich die Liste Streit für die Renovierung des veralteten Bitburger Schwimmbads ein, die Modernisierung der öffentlichen Toiletten, einen Zubringerbus zur Eislaufbahn, die Errichtung einer Jugendherberge, eine attraktivere Gestaltung der Bitburger Fußgängerzone, eine Aktion, bei der für jedes Baby ein Baum gepflanzt wird, und "die Neuen" propagierten: "Nicht an die nächste Wahl, sondern an die nächste Generation denken". Inzwischen ist die Liste Streit mit sieben Köpfen im Stadtrat vertreten und stellt den Bürgermeister. (scho)

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