Nostalgie mit Funkenflug

WOLSFELD. Schweizer Temperament, eine stumme Souffleuse und Bratkartoffeln für den Ortsbürgermeister: Mit "Saalü!", dem interaktiven Heimatvarieté in alten Dorfsälen, ging es im Wolsfelder Gasthaus Schneider rund.

"So, Sie lernen jetzt mal geschwind das Programm auswendig und sagen mir dann immer vor, was kommt", instruiert Franz Brandwein (Utz A. Thorweihe) Zuschauerin Kerstin aus der ersten Reihe: "Ich kann schließlich net dauernd auf's Zettele schauen." Der schwäbische Feuerwehrhauptmann weiß, was er will. Seine junge "Souffleuse" denkt allerdings gar nicht daran, auch nur einen Ton zu sagen. So muss der Moderator dann doch das besagte "Zettele" zücken - wenn nicht gerade seine Kollegen Hein Brand (Walter Pohl) und Fürchtegott Löschwasser (Jan Fritsch) im ausverkauften Saal des Gasthauses Schneider das Ruder übernehmen. Die beiden gurgeln Welthits, tanzen in Unterhosen oder bereiten auf der Bühne Bratkartoffeln zu. Letztere bekommt Wolsfelds Ortsbürgermeister Heinz Junk serviert, der gleich einmal das Handwerkszeug von Brandweins Feuerwehrkapelle unter die Lupe nimmt: "Wenn Sie mit so einer schmutzigen Tuba zu unserem Musikverein kämen, würden Sie gleich wieder nach Hause geschickt." Blitzblank sind dagegen die Instrumente des Wolsfelder Posaunen-Trios (Rolf Schaefer, Jochen Schaefer und Markus Dahm). Sie ernten für "The Entertainer" anhaltenden Beifall. Und während Gertrud Lunkes noch in Frack und Melone die Lachmuskeln der 130 Zuschauer mit dem Otto-Reuter-Titel "Ich hab so Angst vor meiner Frau" strapaziert, steht schon das vierte "Saalü!"-Zugpferd in den Startlöchern: Die quirlige Feuerwehr-Praktikantin Liesbett Funkenflug (alias Uli Baumann) aus der Schweiz hat "extra für heute ein Lied kompostiert". Anna Schneider erinnert in einem Gedicht an alte Zeiten, und Peter Schaefer, Hubert Schaal sowie der Akkordeonist Matthias Kohl präsentieren die "Moritat vom armen Dorfschulmeisterlein".Jedes Gastspiel eine Premiere

Wolsfeld war die vierte Station der aktuellen "Saalü!"-Tournee durch Eifel, Hunsrück, Westerwald und Pfalz, die am 24. Oktober in Burgbrohl startete. Das rheinland-pfälzische Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur sowie die Birkenfelder Eisenbahn haben die Veranstaltungsreihe vor zehn Jahren ins Leben gerufen. "Es ist unglaublich, wie viele schöne, alte Wirtshaussäle es im Land noch gibt", sagt Projektleiterin Martina Helffenstein, "und wie lebendig in vielen Dörfern Traditionen und Erinnerungen sind." In vier Treffen hatte sie seit Februar gemeinsam mit den Wolsfeldern den bunten Abend vorbereitet. "Wir suchen dabei nach typischen Bräuchen und Geschichten aus den jeweiligen Dörfern und nach Vereinen oder einzelnen Menschen, die Beiträge für das Programm haben", erklärt Helffenstein: "Es wird allerdings nichts geprobt." Jedes "Saalü!"-Gastspiel sei also eine Premiere. Den Geschmack des Wolsfelder Publikums traf das originelle Dreieinhalb-Stunden-Programm - nicht zuletzt, weil ein großer Teil selbst gemacht war. Zuschauerin Marita Thomas sagt: "Mir hat der Abend sehr gut gefallen - besonders die Geschichten und Beiträge aus dem Dorf." - "Die Akteure haben den Spagat hinbekommen, ein Programm für mehrere Generationen zu bieten", lobt Werner Carl das Konzept. "Es war super", sagt Christa Rodens, "so etwas sollte es öfter geben."

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