Ofen aus im Kesselhaus

BITBURG. Für die Musikkneipe "Altes Kesselhaus" läutet nach 26 Jahren das Totenglöcklein. In gut fünf Wochen, an Fastnachtssonntag, steht Kesselhaus-Wirt Heribert Mertes in der ehemaligen Molkerei zum letzten Mal hinterm Zapfhahn. "Der Abschied fällt mir schwer", sagt der 52-Jährige.

 So voll wie beim Monkey-Jump-Kneipenfestival vor anderthalb Jahren war’s im Alten Kesselhaus zuletzt nur noch selten.TV-Foto: Archiv/Marcus Hormes

So voll wie beim Monkey-Jump-Kneipenfestival vor anderthalb Jahren war’s im Alten Kesselhaus zuletzt nur noch selten.TV-Foto: Archiv/Marcus Hormes

Ein x-beliebiger Freitag- oder Samstagabend vor 20 Jahren im Bitburger Süden: Im ehemaligen Heizkesselhaus der alten Molkerei drängen sich die Gäste vor der Theke, aus den Boxen dröhnt laute Rockmusik. Auch ein paar Stufen tiefer im Keller ist es proppevoll: Die gemütlich-kitschige Bar platzt aus allen Nähten, im Billardsaal nebenan sind die Tische belegt. Wochenends ins Alte Kesselhaus (oder später auch wahlweise in den benachbarten "Lindenhof"), das war in den 80er- und auch noch 90er-Jahren das Standardprogramm für junge Eifeler, die keine Lust hatten auf Diskotheken oder die Gaststätten, in die auch ihre Eltern gingen.Wenn die Theke zur Sitzbank wurde

Es war die richtige Idee zur richtigen Zeit, die die beiden Freunde Heribert Mertes und Jürgen Paltzer hatten, als sie Anfang der 80er-Jahre den urigsten Teil der ehemaligen Bitburger Molkerei in Eigenarbeit und mit viel Fingerspitzengefühl in eine atmosphärische Musikkneipe umwandelten. "Es gab ja damals fast keine Auftrittsmöglichkeiten für regionale Bands", erinnert sich Mertes, seinerzeit ein leidenschaftlicher Schlagzeuger. Der Schritt in die Selbstständigkeit entpuppte sich nach den üblichen Anlaufschwierigkeiten als voller Erfolg. Das "Kesselhaus" avancierte in den Folgejahren zu einem der gastronomischen Anlaufpunkte in der Südeifel; Auftrittsplattform auch für unzählige regional und überregional bekannte Bands. Kesselhaus-Chef Heribert Mertes gerät ins Schwärmen, wenn er sich an die Konzerte erinnert, "bei denen der Funke einfach übergesprungen ist". Etwa das Konzert der Gruppe "Ambee", einer Band um den Grönemeyer-Gitarristen Jakob Hansonis. "Der hat mir nach dem Konzert gesagt, dass er in so einer schönen Atmosphäre selten zuvor gespielt hat", sagt Mertes. Unvergessen aber auch die Auftritte regionaler musikalischer Abräumer wie die "Reminders" oder "Der Gelähmte und die kranken Schwestern": Wenn sie auf der Bühne standen, war das Kesselhaus regelmäßig zu klein für den Ansturm, wurde notfalls selbst die Theke zur Sitzbank umfunktioniert. Dennoch bekam an einem solchen Abend selbst der Besucher noch regelmäßig Biernachschub, der im hintersten Winkel der Kneipe saß. Doch die Zeiten, in denen die Gäste vor dem Kesselhaus Schlange standen und der Rubel rollte, sind vorbei. "Vor zwei Jahren war's wirtschaftlich von den Zahlen her schon schlecht", sagt Mertes, der inzwischen Alleininhaber ist, "und im letzten Jahr wurde es sogar noch schlechter". Mit anderen Worten: Das Kesselhaus ist nicht mehr rentabel. Großes ungelegtes Ei

Ein halbes Jahr habe er zwar noch mit sich gerungen, sagt der Chef, aber mittlerweile stehe seine Entscheidung fest: "Das Kesselhaus wird zugemacht. Der 18. Februar, Fastnachtssonntag, ist der letzte Tag." Der Abschied beginnt in Raten. Denn schon seit Beginn des Jahres ist das Kesselhaus nur noch an drei Abenden die Woche geöffnet - donnerstags bis samstags. Einen der Gründe für die zuletzt immer mehr ausbleibenden Gäste sieht Mertes in dem veränderten Konsum- und Ausgehverhalten: "Die Gäste, die richtig etwas verzehren, werden immer weniger. Und vor 22 Uhr kommt keiner mehr." Außerdem: "Mal ist man ,in', und mal ist man ,out'", meint der langjährige "In"-Kneipier. "Ich hatte zuletzt immer häufiger das Gefühl, ,out' zu sein." Längst arbeitet Familienvater Heribert Mertes tagsüber wieder in seinem erlernten Beruf als Einzelhandelskaufmann. Neue Aktivitäten in der Gastronomie hat er nach eigenen Angaben nicht geplant, wenn Mitte Februar das Thema Kesselhaus endgültig erledigt sein wird - nach mehr als einem Vierteljahrhundert. Ein Gedanke, mit dem sich auch der 52-Jährige erst noch anfreunden muss: "Schau'n wir mal, wie's wird." Das gilt auch für die alte Molkerei, die der Bitburger Unternehmerfamilie Gangolf gehört. Nach Angaben von Mertes ist noch keine Entscheidung über die Zukunft des alten Kesselhauses gefallen. Möglicherweise gibt es am Samstag nach dem offiziellen Aus noch ein großes Abschiedsfest. Aber das, sagt Mertes, sei noch ein "großes, ungelegtes Ei".

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