Opfer ernst nehmen und schützen

BITBURG-PRÜM. Mit dem Aufschreiben von Gewalt-Zwischenfällen und einer verstärkten Einbindung der Eltern wollen Schulen künftig im Kreis Bitburg-Prüm das Gewaltproblem bekämpfen.

"Jugendliche werden immer skrupelloser und brutaler. Was früher spielerisches Kräftemessen war, artet heute oft in nackte Gewalt aus." Für ein Grußwort ungewöhnlich deutliche Töne schlug der Erste Kreisbeigeordnete Klaus Juchmes - selbst Schulleiter - an. Die Ursachen seien vielfältig, aber am Anfang der Reaktionskette stünden familiäre Probleme. Mehr als 60 Vertreter von Schulen und Fachleute der Jugendarbeit informierten sich zum Auftakt der "Initiative gegen Gewalt" (Igel) im Haus der Jugend Bitburg. Das Jugendamt des Kreises Bitburg-Prüm und die Polizei wollen für bestehende Hilfsangebote werben und einzelne Schulen bei ihren Projekten intensiv begleiten (derTV berichtete). "Unser Ziel ist, Sicherheit zu gewährleisten, indem wir Straftaten verhindern", sagte Gerd Bertram, Leiter der Polizeidirektion Wittlich.Grenzen setzen, Verstöße ahnden

Professor Dr. Britta Bannenberg von der Uni Bielefeld nannte Faktoren zur Gewaltprävention: schulische Umgebung mit Wärme und Anteilnahme feste Grenzen gegen inakzeptables Verhalten bei Regelverletzung konsequente Reaktion, jedoch nicht sofort Ausgrenzung. Michael Heimes vom Kommissariat Vorbeugung bei der Polizei Viersen (Nordrhein-Westfalen) stellte das "Anti-Bullying-Programm" vor (von "to bully": schikanieren). Als "Bullies" gelten Schüler, die andere über längere Zeit tyrannisieren, quälen, nötigen oder erpressen. Grundidee des Programms: Bei einem konkreten Vorfall sollen die Beteiligten das Ereignis noch am selben Tag jeweils aus ihrer Sicht aufschreiben. Lehrer reichen die Schriftstücke beider Seiten an die Eltern weiter, die sich wiederum zum Vorfall und zur Art des Umgangs damit äußern sollen. Je nach Bedarf kommen die Beteiligten schließlich an einen Tisch, um die Konsequenzen festzulegen. Das kann zum Beispiel die Vermittlung an Streitschlichter sein. "Wenn Sie das mehrfach durchgezogen haben, werden die Schüler ruhiger", versprach Heimes und verwies auf die Umsetzung an 30 Schulen im Kreis Viersen. Das zweifache Erfolgsgeheimnis: Täter bekommen erstmals Gelegenheit, Hintergründe wie Provokationen oder Frusterlebnisse aufzuzeigen. Opfer wiederum werden ernst genommen und geschützt. Klaus-Peter Metzger, Rektor der Berufsbildenden Schule Prüm, mahnte bessere Rahmenbedingungen an. Es komme entscheidend auf Zahl und Qualifikation der Lehrer sowie die Klassengröße an. Gewaltprävention müsse zum Unterrichtsprinzip werden, das alle verinnerlichen. Das "Anti-Bullying" erschien Metzger für Haupt- und Berufsschulen als zu anspruchsvoll. Dem widersprach Wolfgang Stoffel, Direktor des Gymnasiums in Viersen: "Die Protokolle der Schüler können sprachlich holprig und grammatisch fehlerhaft sein, erfüllen aber trotzdem ihren Zweck. Wenn Eltern Sprachschwierigkeiten haben, können sie auch zum Gespräch eingeladen werden, eventuell mit einem Übersetzer." Flankierend zum konkreten Programm gibt es vielfältige Materialien zum Thema Gewaltprävention. Der Jugendschutzbeauftragte Carsten Lang und der Polizei-Jugendbeauftragte Hubert Lenz stehen zur Begleitung des Projekts bereit: "Wegen der Anmeldung werden wir bei Schulen nachhaken." Im Prümer Grundschulforum referiert Dr. Andrea Mohr von der Uni Trier am Montag, 14. Februar, um 19.30 Uhr in der Bertrada-Grundschule Prüm zum Thema "Positive Erziehung". Weitere Infos auch im Internet unter www.bitburg-pruem.de/igel.

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