Pflegedienste stehen vor dem Kollaps

PRÜM. Das Pflegedienstsystem der Sozialstationen steht kurz vor dem Zusammenbruch. 80 Prozent der Einrichtungen arbeiten defizitär. Jetzt schlägt auch die Sozialstation Prüm Alarm.

Die SPD-Landtagsabgeordnete Monika Fink war beeindruckt. Um zu sehen, was Sozialstationen im Kreis Bitburg-Prüm zu leisten haben, fuhr sie am Dienstag eine "Schicht" mit Schwester Bianca Thomas von Patient zu Patient. "Meine wichtigste Erfahrung ist nun, dass ich weiß, was Schwestern leisten - nämlich mehr, als sie müssen. Denn das, was sie tun, ist durch die Pflegeversicherung längst nicht alles abgedeckt." Und weil Monika Fink auch weiß, dass die ambulante Pflege alles andere als kostendeckend arbeitet, ist für sie klar: "Da muss was passieren. Man kann nicht erwarten, dass eine Schwester ehrenamtlich weit über das Soll hinaus arbeitet." 3,91 Euro für die Insulinspritze

Ein Beispiel: Die Schwester der DRK-Sozialstation Prüm fährt zu einer Patientin, die in einem Dorf rund 25 Kilometer von Prüm entfernt wohnt. Dort verabreicht die Fachkraft der kranken Frau eine Insulinspritze. Als Pauschale für den Hausbesuch kann die Sozialstation nun 4,32 Euro abrechnen, plus 3,91 Euro für die Spritze. Allein das sei schon zu wenig, sind sich die Leiterinnen der Sozialstationen Prüm und Bitburg, Irmgard Michels und Erna Erschfeld, einig. Denn: Rechne man hinzu, dass die Schwester in der Regel auch noch psychosozial aktiv werde, wozu sie ja gar nicht zuständig sei, und die Rückfahrt hinzurechne, erkenne man sehr deutlich, dass das System hier nicht stimme. So ist es für Schwester Bianca zum Beispiel selbstverständlich, mit den Patienten ein Wort zu wechseln, vielleicht noch die Rollläden zu öffnen oder den Müll zu entsorgen. Der Besuch der DRK-Schwester ist für alte und kranke Menschen nämlich meist der Höhepunkt des Tages. Das weiß Bianca Thomas und sagt: "Ich muss das Haus mit einem gewissen Gefühl verlassen, also auch im Wissen, psychosozial etwas getan zu haben. Wenn das nicht so ist, könnte ich den Job nicht machen." Deshalb steht für die Pflegerin fest: "Ich wünsche mir mehr Zeit." Die aber gibt es nicht auf Rezept. Immer enger würden die Budgets, immer mehr an der Zeitschraube gedreht, kritisiert Erna Erschfeld und stellt kategorisch klar: "Die Pflege steht vor dem Kollaps." Vor dem Hintergrund, dass das Deutsche Rote Kreuz einen öffentlichen Versorgungsauftrag auszuführen habe und keine Patienten ablehnen dürfe, müsse auch die Vergütung angehoben werden. Denn: "Der Job ist nicht nur nicht gut bezahlt. Die Pflege ist auch eine körperlich schwere Arbeit, die ein schlechtes Image mit sich herum schleppt", schimpft Erna Erschfeld. Anspruch an eigene Qualität

Für Monika Fink gibt es da nur einen kleinen Trost: "Die Patienten bekommen das nicht mit, deshalb gibt es auch den Aufstand der Patienten nicht." Aber: "Die Sache geht zu Lasten der Schwestern und des Trägers." Die Pflegeversicherung sei kein Vollkaskoschutz, erklärt deshalb Erna Erschfeld mit Nachdruck, sie sei lediglich ein Zuschuss. Ihre These, mit der sie im Kollegenkreis durchaus auf Verständnis stößt: "Jeder muss bereit sein, für seine Gesundheit zu bezahlen." Das sieht auch ihre Kollegin Irmgard Michels so: Wenn ein Handwerker komme, um eine neue Waschmaschine zu bringen, und man zusätzlich noch eine Steckdose brauche, müsse die schließlich auch bezahlt werden. Deshalb steht für die Stations-Chefinnen fest: "Unsere Schwestern stellen einen hohen Anspruch an ihre Qualität. Aber sie vergessen dann vor Ort einfach, ob ihre Arbeit bezahlt wird oder nicht."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort