Revolution in der Amtsstube

Von wegen verstaubtes Amtsstuben-Denken - Die Kreisverwaltung Bitburg-Prüm will in Zukunft einiges verändern, um ihren Mitarbeitern das Zusammenspiel von Familie und Beruf zu erleichtern.

Bitburg/Prüm. "Noch vor nicht allzu langer Zeit war das für viele unvorstellbar", sagt Landrat Roger Graef. Denn Altvordere gebe es in jeder Verwaltung. Und auch er selbst habe umdenken müssen. Ein Zeichen dieses Umdenkens ist, dass sich heute zwei halbtags arbeitende Frauen den Job teilen, das Amt "Abfallwirtschaft" zu leiten. "Eine Revolution", sagt Graef. Oder, dass ein leitender Angestellter auch mal von zu Hause aus arbeitet, weil er sich um sein Kind oder seine pflegebedürftige Mutter kümmern muss. Das Klischee vom verstaubten Amtsstuben-Denken scheint hier jedenfalls ausgedient zu haben.Man könne nicht immer nur über die demografische Entwicklung jammern. Um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie voranzutreiben, müsse gerade eine Verwaltung als Vorbild vorangehen, sagt der Landrat. Deshalb nimmt die Kreisverwaltung Bitburg-Prüm am Audit "Beruf und Familie" teil. Zunächst einmal hieß es, zu erfassen, was bereits getan wird, und was noch getan werden kann. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen, die Schirmherrin des Audits, hat der Bitburg-Prümer Verwaltungsdirektorin Gisela Mayer-Schlöder in Berlin das Grundzertifikat überreicht. Doch damit geht die Arbeit erst richtig los. In sieben Handlungsfeldern hat sich die Kreisverwaltung Ziele gesteckt. Ihre Umsetzung wird fortan jährlich überprüft. Nach drei Jahren erfolgt die Re-Auditierung. Nur, wenn diese erfolgreich ist, darf die Verwaltung das Zertifikat tragen.Die Führungskraft der Zukunft ist weiblich

Insbesondere was Arbeitszeit, -organisation und -ort angeht, soll sich in Zukunft einiges ändern. Zunächst wird in einer Probephase in Ämtern wie der Jugendarbeit oder der Wirtschaftsförderung die Kernarbeitszeit abgeschafft. Die Mitarbeiter werden sich dort künftig absprechen, wer wann arbeitet. "Natürlich so, dass immer jemand für die Bürger da ist", sagt Anita Reiter, die für die interne Organisation zuständige Amtsleiterin. Jahreszeitenkonten sollen es Mitarbeitern, die zu saisonal bedingten Stoßzeiten viele Überstunden machen, ermöglichen, im Sommer mit ihren Kindern auch mal sechs Wochen in Urlaub zu fahren. Wenn die Art der Arbeit dies erlaubt, können Mitarbeiter künftig auch von zu Hause aus arbeiten. Doch nicht nur für die Mitarbeiter, auch für die Bürger will die Behörde familienfreundlicher werden. "Viele berufstätige Eltern können erst abends kommen", sagt Reiter. Deshalb sind auch flexiblere Sprechzeiten geplant. Graef rechnet mit einem größeren Organisationsaufwand und so manchem Kummer. "Den müssen wir dann angehen", sagt er. Allerdings glauben er, Reiter und Mayer-Schlöder auch an zahlreiche Vorteile. "Die Mitarbeiter sind dankbar", sagt Reiter. Bekanntermaßen sind zufriedene Mitarbeiter motivierter und stärker bereit, sich anzustrengen. Außerdem gelingt es der Verwaltung so, gutes Personal an sich zu binden. 56 Prozent der 350 Mitarbeiter sind Frauen. In der Kreisverwaltung gelte das Leistungsprinzip, sagt Graef. "Und die Frauen sind in der Regel besser." Derzeit stellten sie nur 29 Prozent der Führungskräfte, doch der weibliche Marsch durch die Institutionen sei in vollem Gange. Auch dies ist ein Grund für das Audit. "Wenn Beruf und Familie nicht vereinbar wären, würden wirunsere besten Kräfte brachliegen lassen", sagt Graef. Das Audit Seit die gemeinnützige Hertie-Stiftung das Audit "Beruf und Familie" 1998 ins Leben rief, haben mehr als 500 Unternehmen, Institutionen und Hochschulen mit mehr als 800 000 Mitarbeitern daran teilgenommen. 142 erhielten dieses Jahr in Berlin das Grundzertifikat, darunter ganz große mit 26 000 und ganz kleine mit 5 Beschäftigten. Mit der Vereinbarung individueller Ziele markiert das Grundzertifikat den Beginn des Audits. Es soll dazu dienen, Arbeitsbedingungen stetig familiengerechter zu machen.

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