Schöffe lässt sich auswechseln

Raimund Geilenkirchen aus Jünkerath hat seine Aufgabe als Schöffe im Prozess gegen einen Landwirt wegen Tierquälerei niedergelegt. Geilenkirchen hatte als Erster Beigeordneter der Verbandsgemeinde (VG) Obere Kyll Verfügungen der Behörde gegen den Angeklagten unterzeichnet.

Jünkerath/Bitburg. Kaum haben die Beteiligten im Bitburger Gerichtssaal Platz genommen, gibt es die erste Überraschung. Verteidigerin Marianne Mastiaux äußert Bedenken an der ordnungsgemäßen Besetzung des Gerichts. Der Grund: Schöffe Raimund Geilenkirchen hat als Erster Beigeordneter der VG Obere Kyll in Vertretung des Bürgermeisters vor Jahren Verfügungen unterschrieben, die sich gegen den aktuell Angeklagten richteten. Es ging schon damals um dessen Ammenkuh-Haltung.Beide Schöffen (ehrenamtliche Laienrichter) erfahren immer erst am Tag der Verhandlung, um welches Verfahren es sich handelt. Der hauptamtliche Richter wiederum weiß vorher nicht, welche Schöffen ihm zur Seite gestellt werden.Wegen der Besorgnis der Befangenheit verkündet Vorsitzender Richter Udo May: Raimund Geilenkirchen "tritt vom Verfahren zurück". Nach einer weiteren halben Stunde trifft ein Ersatzschöffe aus Mettendorf ein. Dem Gericht in neuer Besetzung gegenüber beteuert der Angeklagte für jeden Einzelfall seine Unschuld. Das angeblich abgemagerte Kalb habe er wenige Tage später gesund verkauft. Eine Kuh mit Gebärmutterentzündung sei sehr wohl tierärztlich behandelt worden, jedoch ohne Erfolg. Und eine trächtige Kuh sei auf der riesigen Weide schlicht verschwunden gewesen. Als er sie am nächsten Tag gefunden habe, sei sie schon tot gewesen, mit dem Kopf ihres Kalbs in der Scheide.Rinder angeblich ohne Futter und Wasser

Von einem "ziemlich verkommenen Hof" berichtet als Zeuge der ehemalige Amtstierarzt von Prüm: "Ein Kalb war in der Entwicklung zurückgeblieben, ein Rind hat festgelegen, beide ohne Futter und Wasser." Allerdings verschätzte sich der Veterinär grob beim Alter der Tiere.Sein damaliger Amtskollege aus dem Landkreis Vulkaneifel beurteilt die Zustände auf dem Hof insgesamt als "tolerabel". Die stets Ende März/Anfang April wiederkehrenden Probleme führt er auf "nicht optimale Versorgung in Verbindung mit Krankheiten" zurück."Er hat sich schon um die Tiere gekümmert", sagt ein ehemaliger Helfer des Landwirts aus. Ein anderer Bauer bestätigt, der Angeklagte habe täglich vier Kubikmeter beste Gras-Silage bei ihm abgeholt.Die Verteidigung beantragt Gutachten dazu, inwieweit giftiges Jakobskreuzkraut Erkrankungen der Rinder erklären könnte. Als Beweismittel dient ein TV-Bericht vom 13. Mai, in dem die Landwirtschaftskammer vor "schweren Leberschäden oder Koliken" durch die Pflanze warnt. Das Kraut, so die Anwältin, habe gerade auf bestimmten Flächen ihres Mandanten wachsen können, weil er als Naturschutz-Vertragslandwirt dort ohne Düngemittel habe auskommen müssen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort