Schwarzer bringt heile Prümer Welt in Ordnung

PRÜM. Ein Knaller zum Schluss: 750 Menschen hat die Journalistin und Autorin Alice Schwarzer beim letzten Ereignis des Eifel Literatur Festivals 2003 in die Wandalbert-Hauptschule nach Prüm gelockt. Dort sprach sie mit dem Publikum über Themen wie Schlankheitswahn, Konkurrenz unter Frauen und die (Ohn)-Macht der Männer.

 Hat mächtig Spaß am Dialog: Alice Schwarzer erfüllt Signierwünsche des Publikums in der Prümer Wandalbert-Hauptschule.Fotos: Manuel Schmitt

Hat mächtig Spaß am Dialog: Alice Schwarzer erfüllt Signierwünsche des Publikums in der Prümer Wandalbert-Hauptschule.Fotos: Manuel Schmitt

"In Prüm ist die Welt eben noch in Ordnung." 750 Zuschauer johlen und applaudieren. Sie sind weder verrückt, noch sind sie in die Wandalbert-Hauptschule nach Prüm gekommen, um Harmoniebekundungen vom letzten Gast des Eifel Literatur Festivals 2003 zu hören. Alice Schwarzer, Ikone der deutschen Frauenbewegung, erfüllt diese Erwartung. Denn die "heile Prümer Welt" kommt ihr nur mit ironischem Unterton über die Lippen. Das nimmt ihr keiner übel. Die Frauen ohnehin nicht, die Männer - wenn überhaupt - schweigen geflissentlich. Schließlich sind sie in der Unterzahl. Bei der alljährlich in Prüm ausgerichteten Kunstaustellung EVBK ist das anders. Nur vier von 40 Preisträgern waren Frauen, in der zehnköpfigen Jury sitzt nur ein weibliches Mitglied. Ein Provinz-Skandal - während des etwa eineinhalbstündigen Gesprächs mit dem Publikum vorgetragen von einer Frau aus dem Publikum, die nicht zufällig neben Bürgermeister Hansgerd Haas sitzt. Und ein gefundenes Fressen für Schwarzer, die dieser beipflichtet, aber die Prümer doch ein bisschen rehabilitiert. Schließlich seien sie es nicht allein, die immer noch mit solch peinlichen Rückständigkeiten aufwarten. Zwar habe die Frauenbewegung vieles verändert, "in Wahrheit werden Frauen, die etwas erreicht haben, verachtet", sagt Schwarzer. Das gelte für viele Lebensbereiche - nicht nur für die Kunst, die Politik, die Religion und die Wissenschaft, sondern auch für die Medien, in denen die nach außen getragene Emanzipation auch nur ein Trugbild sei, wie Schwarzer bemerkt: "Im Fernsehen werden die Frauen nur zum Schein in die erste Reihe geschoben." Frauen als Talkmasterinnen und in Nachrichtenmagazinen könnten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Männer in den Fernsehanstalten seien, "die immer noch die Spielregeln machen". Die Benachteiligung sei subtiler geworden - nicht mehr so offensichtlich wie noch vor 30 Jahren, erklärt Schwarzer. Für diese Aussage gibt es - wie für viele an diesem Abend - Beifall. Aber nicht nur das. Es wird auch viel gelacht. Denn die 60-Jährige ist "keine verbitterte Glucke" - wie Festivalmacher Josef Zierden dem Publikum schon in seiner Ansprache prophezeit hat. Die Macherin der Zeitschrift "Emma" ist witzig, schlagfertig und clever. Sie hat Lust am Dialog, weshalb die Vorstellung ihres neuen Buches "Alice Schwarzer porträtiert Vorbilder und Idole" recht kurz und das Gespräch mit dem Publikum recht lange ausfällt. Viele Themen liegen ihr am Herzen. Zum Beispiel Gewalt gegen Frauen oder Ess-Störungen - für die Journalistin und Autorin eines der drängendsten Probleme junger Frauen. "Sie legen sich selbst innere Fesseln an, sie machen sich dünn", sagt Schwarzer. Eine moderne Form der Selbstzerstörung, die zeige, "wie weit der Weg der Frauen ist, sich aus dem Käfig der Weiblichkeit zu befreien". Denn die Aufsehen erregenden Kämpfe in der deutschen Frauenbewegung sind für Schwarzer und ihre Weggefährtinnen zwar ausgestanden, viele andere beanspruchen sie aber immer noch. Weibliche und männliche Anteile

Das Kernproblem sei für die Frauen weiterhin, sich nicht zerreißen zu lassen vom Anspruch, entweder Kopf oder Körper zu sein. Jeder habe weibliche und männliche Anteile. Wichtig sei, dass beide ausgelebt würden. Auch für die Männer. "Wir Frauen müssen den Männern zugestehen, dass sie manchmal die besseren Mütter sind", fordert Schwarzer, "und ihnen die Chance geben, andere Seiten an sich zu entdecken." Deshalb plädiert sie für eine gesetzliche Regelung, bei der die Hälfte der Erziehungszeit verfällt, wenn der männliche Elternpart sie nicht beansprucht. "Es gibt nichts Weiblicheres als die Arbeit", findet Schwarzer. Und der sollten sich die Herrn der Schöpfung stärker zuwenden. Wenn die Jungs sich sträuben? "Dann müssen sie es wagen, diese Arbeit einzuklagen, lästig zu sein, nicht immer lieb zu sein", sagt sie. Das ist auch ihr Motto in punkto Männerdomäne EVBK: Wenn die Verantwortlichen die Chance nicht nutzten, "ihr Gesicht nicht zu verlieren", kündigt sie an, "werden wir diese beschämenden Zahlen in der Emma veröffentlichen." Schließlich wolle Prüm doch "zum fortschrittlichen Teil der Welt gehören".

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