Sie schreien, spucken, schlagen und treten: Zu Gast im Keller der Bitburger Wache mit den sechs Zellen

Bitburg · Der Großteil der „Gäste“, die im Keller auf der Bitburger Wache landen, haben ordentlich was intus. Alkohol, Drogen, teils abenteuerliche Mischungen. Es sind Menschen, die völlig außer Kontrolle sind, und eine Gefahr für sich oder andere darstellen. In dem Flur vor den sechs Zellen spielen sich dramatische Szenen ab. Freiwillig ist hier keiner.

 Der Flur, von dem die sechs Zellen in der Bitburger Wache abgehen.

Der Flur, von dem die sechs Zellen in der Bitburger Wache abgehen.

Foto: Klaus Kimmling
 Zellentür: Die Klappe hat man zugeschweißt, nachdem mehrfach Menschen versucht haben, durch die Klappe irgendwie zu entkommen - und dann darin steckenblieben und sich verletzten.

Zellentür: Die Klappe hat man zugeschweißt, nachdem mehrfach Menschen versucht haben, durch die Klappe irgendwie zu entkommen - und dann darin steckenblieben und sich verletzten.

Foto: Klaus Kimmling
 Blick in eine der Zellen, die alle bis zur Decke hoch gekachelt sind.

Blick in eine der Zellen, die alle bis zur Decke hoch gekachelt sind.

Foto: Klaus Kimmlling
 Wie man es von großen Demonstrationen kennt: Solch ein Schutzschild kommt auch im Keller der Bitburger Wache zum Einsatz.

Wie man es von großen Demonstrationen kennt: Solch ein Schutzschild kommt auch im Keller der Bitburger Wache zum Einsatz.

Foto: Klaus Kimmling

Komfort? Fehlanzeige. Die Räume sind vom Fußboden bis zur Decke hoch gekachelt. Es liegt sich hart. Das Bett ist ein Podest, das in eine Ecke der kleinen Zelle gemauert wurde. Matratzen gibt es nicht. Unter im Keller der Bitburger Wache liegt hinter einer grünen Tür der Flur mit den sechs Zellen: keine Gitter, keine Fenster, kein Waschbecken.

Die "Zelle classic", wie es auf der Wache heißt, ist das ganz einfache Modell: ein Mal ohne alles mit einem Abfluss, damit sich alles leicht reinigen lässt. In der "Fürstensuite" gibt es immerhin eine Toilette aus Edelstahl - und Video-Überwachung. Beliebter ist die mit rund vier Quadratmetern fast doppelt so große "Suite" deshalb aber keineswegs. Freiwillig kommt hier keiner hin.

Notfallknöpfe und Schutzschild

Sie schreien, treten, beißen und spucken. Das Schutzschild, das an der Wand des Flurs lehnt, steht da nicht umsonst. Gleiches gilt für die drei großen Notfallknöpfe in Kniehöhe und die Video-Überwachung. "Hier unten spielen sich unschöne Szenen ab", sagt Polizist Wolfgang Zenner. Die Menschen, die von den Beamten Gewahrsam genommen werden, sind in der Regel stark alkoholisiert und nicht mehr Herr ihrer Sinne.

Fast immer Alkohol im Spiel

"Es ist fast immer Alkohol im Spiel", sagt Jürgen Riemann, stellvertretender Leiter der Bitburger Inspektion. Und Drogen: "Während sich früher mit Bier, Wodka, Schnaps und Ähnlichem betrunken wurde, fällt heute auf, dass alle möglichen Drogen mit Alkohol gemischt konsumiert werden." Teils sind vier, sechs Mann nötig, um so einen Randalierer sicher in die Zelle zu bringen. "Wir können die ja nicht einfach nach Clint-Eastwood-Manier durch den Flur zerren. Wir haben den Grundsatz, niemanden unnötig zu verletzen. Und da reichen zwei Mann nicht immer aus, um dahin zu kommen, wo man hin muss", sagt Zenner.

In solchen Situationen, wenn jemand wild um sich schlägt und tritt, sei es eben wichtig, mit der Hand, dem Fuß oder Knie über einen der drei Notfallknöpfe schnell Verstärkung anzufordern.

Männer, die schlagen

Auch, wenn die Menschen, in der Regel alles möglich intus haben, ist Alkohol- und Drogenkonsum nicht der Grund, warum sie in der Ausnüchterungszellen landen. "Wenn wir jemanden in Gewahrsam nehmen, dann deshalb, weil er zu einer Gefahr für sich selbst oder andere geworden ist", sagt Riemann.

Beispiel: Ein Mann prügelt seine Frau, Nachbarn, aber oft auch die Kinder alarmieren die Polizei. "Wenn wir dann vor Ort eintreffen und der gibt noch immer keine Ruhe und die Lage stellt sich so dar, dass wir davon ausgehen müssen, dass weiter auf die Frau eingeschlagen wird, dann nehmen wir den mit", sagt Riemann und betont, dass die Entscheidung, ob der Mann dann wirklich in der Zelle landet, von einem Richter getroffen wird. Ist der ab 21 Uhr nicht mehr zu Rate zu ziehen, entscheiden die Polizisten selbst. Aber die meisten Fälle spielen sich nicht nachts, sondern zwischen 6 und 21 Uhr ab.

Nur wenige "Stammgäste"

Meist sind es Männer. Von 85 Menschen, die 2016 von der Polizei Bitburg in Gewahrsam genommen wurden, waren nur elf Frauen. Darunter beispielsweise solche, die unter Verdacht standen, an Einbrüchen oder Diebstählen beteiligt gewesen zu sein. "Wenn die spät abends oder nachts unseren Kollegen ins Netz gehen, halten wir die hier, bis wir sie tagsdrauf einem Haftrichter übergeben können", sagt Zenner.

Übernachtung & Frühstück für 100 Euro

"Stammkunden" gibt es kaum. "Vielleicht zwei, drei, die wir schon öfter hier hatten", sagt Zenner. Einem dieser Dauergäste kam mal folgende Erkenntnis, die er den Polizisten auf Eifeler Platt mitteilte: "Eich machen weilen looß, dat get mir hei zu deier." - "Ich mache jetzt langsam, das wird mir hier zu teuer." Denn umsonst ist so eine Übernachtung auf der Wache nicht. Rund 100 Euro werden im Schnitt laut Riemann fällig, die den "Gästen" in Rechnung gestellt werden. Die Kosten variieren auch in Abhängigkeit davon, wie viele Mann nötig waren, um denjenigen in die Zelle zu bringen.

Und die Sache mit dem Mond

Wer länger als acht Stunden in Gewahrsam bleibt, bekommt neben den zwei Einmal-Decken auch was zu essen. Brot und Wasser sind nicht ganz wörtlich zu nehmen. Es gibt belegte Brote und warmen Tee aus der Krankenhausküche.

Aufgegriffen werden die Menschen in ihren privaten Wohnungen und Häusern, auf Festen, in Kneipen oder in der Fußgängerzone. Weder was die Tageszeiten angeht, noch bei den Wochentagen ist für die Polizei irgendeine auffallende Häufung erkennbar. "Es ist ein Vorurteil, dass sich solcheSzenen vor allem nachts am Wochenende abspielen", sagt Zenner. Auch über Fastnacht sei es im "Hotel Wache" seit Jahren eher ruhig. Gleiches gelte für Weihnachten, wo es nicht zu mehr Familienstreitigkeiten käme, als sonst auch: "Da fliegt vielleicht mal ein Christbaum aus dem Fenster, aber das war es dann auch", sagt Zenner. Was sich nach Erfahrung der Beamten aber auf jeden Fall auswirkt, sind die Mondphasen. "Vollmond und Neumond merken wir hier ganz ohne Mondkalender."

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