Sollen Motorräder fliegen?

Nattenheim hat heute Abend eine wichtige Entscheidung zu treffen: Will es im 500 Meter entfernten Steinbruch eine Motocross-Rennstrecke oder nicht? Nur, dass die Meinungen auseinandergehen, steht jetzt schon fest.

 So wie auf diesem Bild könnten auch in Nattenheim bald die Motorräder fliegen. Je nachdem, was der Gemeinderat heute Abend und diverse Fachbehörden nach ihm entscheiden. TV-Foto: Archiv/Willi Speicher

So wie auf diesem Bild könnten auch in Nattenheim bald die Motorräder fliegen. Je nachdem, was der Gemeinderat heute Abend und diverse Fachbehörden nach ihm entscheiden. TV-Foto: Archiv/Willi Speicher

Nattenheim. Ein aufgelassener Steinbruch auf der Hochfläche oberhalb von Nattenheim. Seit 2006 liegt er still. Einige Nattenheimer fürchten jedoch, dass sich daran in Zukunft etwas ändern könnte. Nicht etwa, weil die Förderbänder wieder laufen. Sondern, weil dort eine Motocross-Strecke entstehen könnte, die - so die Befürchtung - Lärm mit sich bringt. Neben den Fakten sind daher auch Emotionen im Spiel. Doch zunächst die Fakten.Rennstrecke für Motorräder und Quads

Der Steinbruch wurde bis 2006 von der Firma Kohl Bau betrieben. Bis 2018 muss die Firma das Gelände wieder in Ackerland verwandeln. Jürgen Schäfer, einer ihrer Mitarbeiter, hat Mitte Februar bei der Kreisverwaltung einen Bauantrag eingereicht, weil er den ehemaligen Steinbruch in der Zwischenzeit als Motocross-Strecke nutzen möchte. Der Definition nach handele es sich um eine kleine Rennstrecke, sagt Schäfer. Gedacht ist sie für Motocross- und Enduro-Motorräder oder sogenannte Quads. Die Nutzungsbedingungen sind genau festgehalten (siehe Hintergrund). Heute Abend muss der Gemeinderat sich ab 18 Uhr für oder gegen die Rennstrecke entscheiden. In nicht öffentlicher Sitzung. Und hier kommen die Emotionen ins Spiel. Denn Gemeinderatsmitglied Gisela Baur hält den Ausschluss der Öffentlichkeit bei diesem Thema für falsch - auch, wenn es bei Bauanträgen üblich ist. Deshalb hat sie sich an den TV gewandt. "Die Gemeinde hat keine Vorteile von der Strecke", sagt sie. Der Lärm schon von nur einem Motorrad werde weit über die Hochfläche getragen, und die kommunalen Wirtschaftswege, die als Zufahrt dienen sollen, seien auf das zu erwartende Verkehrsaufkommen nicht ausgelegt. Zudem hat sie das Gefühl, dass die Motocross-Strecke nicht nur über die Köpfe der Nattenheimer, sondern auch jene der Gemeinderatsmitglieder hinweg gebaut werden soll: Im November 2007 hatte der Rat sich in einer Voranfrage mit vier Nein-, drei Ja-Stimmen und drei Enthaltungen bereits gegen die Strecke ausgesprochen. Erstaunlicherweise heißt es in der Sitzungs-Niederschrift unter der Überschrift "Beschluss" dennoch, dass Schäfer für den Fall, dass er einen Antrag stelle, eine Zusage der Ortsgemeinde in Aussicht gestellt werde. Einer der Befürworter war und ist Ortsbürgermeister Peter Billen. Bei dem Vorhaben handele es sich "mehr um ein Privatvergnügen. Nichts Großartiges." Er wolle Schäfer, mit dem die Gemeinde stets gut zusammengearbeitet habe, keine Steine in den Weg legen. Das Thema dürfte heute Abend für Diskussionsstoff sorgen. Bleibt alles wie geplant, wird die Öffentlichkeit davon allerdings nicht viel mitbekommen. Hintergrund Nutzung der Rennstrecke und Lärmbelastung: Die Motocross-Strecke, die bei Nattenheim entstehen könnte, soll zu Übungszwecken von März bis November ein Mal wöchentlich von 10 bis 19 Uhr benutzt werden. Dabei dürfen maximal zehn Fahrzeuge gleichzeitig fahren. Zudem sind Rennveranstaltungen geplant: auch wochenends, allerdings an maximal vier Tagen im Jahr. Der Antragsteller hat ein Gutachten zur Lärmbelastung erstellen lassen: Modellrechnungen zufolge liegt die Belastung durch das geplante Training in Nattenheim bei 50 dB(A). Erlaubt sind 55 dB(A), also fünf mehr. Für Bickendorf nennt die Studie Werte von 43,8 und für den Wirtschaftspark Fließem von 45,6 dB(A). Bei Rennen können es auch schon mal 59,5 werden. Für solche Ereignisse liegen jedoch auch die Richtwerte höher. (kah)

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