Soziale Gerechtigkeit unterm Klodeckel

NEUERBURG. Die Gebühren werden erhöht. 15 Cent mehr sollen die Bürger der Verbandsgemeinde Neuerburg künftig pro Kubikmeter Abwasser zahlen. Schon im Sommer jedoch könnte ein neues Berechnungsmodell für Entlastung sorgen.

Zum Äußersten kam es nicht, und das lag wohl auch daran, dassBürgermeister Norbert Schneider das gleich von Anfang anmesserscharf umrissen hatte: "Sollte der Rat den Vorschlag desWerksausschusses beschließen, werde ich diesen Beschluss sofortaussetzen und die Kommunalaufsicht einschalten." Der Beschluss, von dem die Rede ist, wäre nach Auffassung des Bürgermeisters und seiner Verwaltung rechtswidrig gewesen. Denn der Werksausschuss hatte dafür plädiert, den Wirtschaftsplan der Verbandsgemeindewerke zu beschließen, ohne zugleich die Abwassergebühren zu erhöhen. Das jedoch hätte zu einer finanziellen Schieflage geführt. Denn die Verbandsgemeinde Neuerburg verfügt nicht über genügend Geldmittel, den dadurch entstehenden Verlust aufzufangen.

Drohende Finanzlücke

Folglich hätte die VG in der Luft gehangen - frei schwebend über einer Jahr um Jahr größer werdenden Finanzlücke. Und einen solchen Beschluss hätte die Kommunalaufsicht den Neuerburgern um die Ohren gehauen, denn im (Ab-)Wasserbereich muss sie Kosten deckend arbeiten.

Also beschloss der Rat mit Mehrheit und einigen Enthaltungen sowie ohne Diskussion den Wirtschaftsplan - inklusive Erhöhungen. Die belaufen sich auf 15 Cent mehr pro Kubikmeter Frischwasserverbrauch und steigen somit auf 2,95 Euro.

Weil das zwar nach den Buchstaben des Gesetzes richtig ist, aber die wenigsten - auch im Neuerburger Rat - dies den Bürgern gegenüber als gerecht empfinden, muss eine andere Lösung her. Und die hatte Bürgermeister Schneider parat: Die Gebühren werden gesenkt, indem auch jene zur Kasse gebeten werden, für die man zwar die Infrastruktur (sprich Kanäle, Klärwerk), bereit hält, die aber bis auf einen einmaligen Erschließungsbeitrag bislang nichts zahlen. Die Rede ist von jenen Grundstücksbesitzern, die zwar Bauland haben, auf dem sich jedoch weder ein Haus, geschweige denn ein Klo befindet. Über so genannte wiederkehrende Beiträge sollen sie nach Vorstellung von Schneider zur Entlastung regelmäßiger Gebührenzahler beitragen.

Schneider lieferte auch gleich die Begründung sowie einige Fallbeispiele mit: Entlastet würden Familien, die auf kleinen Grundstücken ziemlich hohe Gebühren zahlen, sowie beispielsweise Hotels und Pensionen, die ebenfalls auf kleiner Fläche noch mehr Abwasser produzieren.

Wiedergeburt wiederkehrender Beiträge

Die Gerechtigkeit liegt nach Auffassung der Verwaltung nun darin, dass die Kosten eben nicht durch das produzierte Abwasser sondern die Schaffung der Infrastruktur verursacht werden. Demnach würden sich für eine vierköpfige Durchschnittsfamilie die Gebühren von 371 Euro pro Jahr auf 277 reduzieren.

Mehr zahlen müssten hingegen vor allem Landwirte, die Flächen bewirtschaften, die als Bauland klassifiziert sind, ebenso wie Besitzer von Wochenendhäusern, die bislang wenig Abwasser produzieren und folglich wenig zahlen.

Im Rat waren die Meinungen über das Modell geteilt. Stefan Billen (Wählergruppe Klein) hielt den Vorschlag für eine "soziale Ungerechtigkeit", die vor allem jene bestrafe, die das Pech hätten, unbebautes Bauland zu besitzen. Ähnlich sah es Wolfram Bollig (UBV).

Die CDU mochte sich nicht festlegen, zu unausgegoren sei der Vorschlag. Einzig die SPD schloss sich Schneiders Idee an, habe man - so SPD-Fraktionschef Hans-Leo Hunewald - dies doch schon vor Jahren gefordert. Und die SPD ging sogar noch weiter und präsentierte ein eigenes, ausgearbeitetes Modell, und Manfred Troes von der SPD rechnete haarklein vor, warum genau dieser Vorschlag sozial gerecht sei, die sozial Schwachen entlaste und auch die Besitzer von Bauland nicht über Gebühr strapaziere.

Der Vorschlag der Sozialdemokraten sieht vor, die Gebühren für Abwasser künftig aufzusplitten - in 60 Prozent wiederkehrenden Beitrag und 40 Prozent Gebühr. Dadurch ergibt sich nach Berechnung der SPD ein wiederkehrender Beitrag von 5 Cent pro Quadratmeter Fläche und eine Gebühr von 2,30 Euro pro Kubikmeter Verbrauch.

Nach einer Sitzungsunterbrechung verzichtete die SPD jedoch darauf, ihren Antrag in derselben Sitzung zur Abstimmung zu stellen, nachdem insbesondere die CDU hatte erkennen lassen, dass man sich nach genauer Abwägung dafür erwärmen könnte. Nun sollen die Fraktionen erst einmal bis zum Sommer beratschlagen, wie sie zu dem Vorschlag stehen und was sie eventuell noch verändern möchten. Und dann soll darüber beraten werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort