Streit um Zentimeter

BITBURG-STAHL. Muss ein Hausbesitzer den Dachüberstand seines Hauses absägen, weil der Überstand zu groß und damit nicht eifeltypisch ist? Diese Frage musste das Verwaltungsgericht klären. Ergebnis: Der Dachüberstand kann bleiben, weil die Beschränkung des Überstands Häuser nicht eifeltypisch macht.

Eifeltypisch soll es sein. Das ist eine der Anforderungen an neue Häuser im Stahler Neubaugebiet Hammerwies. Vom norddeutsch anmutenden Klinker-Bau über Fertighäuser bis hin zu einer Zeltdach-Konstruktion reicht aber die Bandbreite der Baustile. Was letztendlich eifeltypisch ist, entschied sich bis zum Ausgang eines Prozesses vor dem Verwaltungsgericht unter anderem am Dachüberstand. Lag er unter 50 Zentimetern an den Längsseiten und 25 Zentimetern am Giebel war das Haus eifeltypisch. Waren die Überstände höher, drohte die Beseitigungsanordnung. "Rund 10 000 Euro hätte es uns gekostet, den Dachüberstand kürzen zu lassen", sagt Udo Paschen. Er hat mit seiner Frau Kerstin im Jahr 2002 ein Fertighaus im Baugebiet aufstellen lassen - mit zu viel Dachüberstand. Dies fiel erst bei einer Dachüberstandskontrolle im Sommer 2003 auf. Die hatte zum Ergebnis, dass anstelle erlaubter 25 das Haus 48 Zentimeter Dachüberstand aufwies. "Im November schickte uns die Stadt Bitburg eine bauaufsichtliche Anordnung, den Dachüberstand zurückzubauen", sagt Paschen. Außerdem wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro angedroht. Grund: Bestimmungen im Bebauungsplan für den Bereich Hammerwies, wonach neue Häuser eifeltypisch zu sein haben. Und eifeltypische Häuser haben Dachüberstände von höchstens 25 Zentimetern am Giebel. "Mit dieser Begründung wollten wir uns nicht zufrieden geben", sagt der Hausbesitzer. Doch auch der Kreisrechtsausschuss war der Meinung, dass das Dach zurückgebaut werden muss. Deshalb entschlossen sich die Paschens zum Gang vors Verwaltungsgericht.Bauherren wollen Schadenersatz

Der Ausgang der Verfahrens wurde auch von Nachbarn mit Spannung erwartet. Denn deren fertiggestellte Häuser waren bei der Kontrolle ebenfalls aufgefallen und hatten eifeluntypische Dachüberstände. Auch ihnen drohte der Rückbau. Doch das ist noch nichts im Vergleich zu vier Häuslebauern, die zum Zeitpunkt der Kontrolle in der Bauphase waren und inflagranti erwischt wurden. "Mehreren Hausbesitzern wurde ein Baustopp angedroht, wenn sie nicht die Dachüberstände zurückbauen", sagt Udo Paschen. Das taten die Erwischten dann auch. Das hätten sie aber nicht tun müssen. Denn das Verwaltungsgericht Trier urteilte, dass die Beschränkung der Dachüberstände mangels gesetzlicher Grundlage keinen Bestand hat (Aktenzeichen 5 K 282/05.TR). Grund dafür ist unter anderem, dass es "an bestimmten für die Gestaltung des Ortsbilds notwendigen Anlässen und einem gewichtigen öffentlichen Interesse fehlt", urteilte das Verwaltungsgericht. Mitentscheidend war auch eine Ortsbesichtigung. Ergebnis: Das Baugebiet ist geprägt von Gebäuden aus verschiedenen Baustoffen, Dach- und Wandformen sowie Farben. Die Beschränkung der Dachüberstände sei deshalb nicht geeignet, den Charakter eines typischen Eifeldorfs zu erhalten. Die Paschens und andere Hausbesitzer sind zufrieden mit dem Urteil. Einige ihrer Nachbarn nur zum Teil. Denn nun steht fest, dass sie unnötigerweise die Überstände an ihren Häusern haben verkleinern lassen. "Einige Nachbarn wollen nun auf Schadensersatz gegen die Stadt klagen", sagt Paschen. Joachim Streit, Bürgermeister der Stadt Bitburg, berichtet, dass "Ortsbeirat Stahl, Bauausschuss und Stadtrat in Stahl eifeltypische Bebauung durchsetzen" wollten. Deshalb seien Dachüberstände auf 25 Zentimeter gesetzt worden. Weitere Festsetzungen wie Zweigeschossigkeit, eine vorgeschriebene Dachneigung von 45 Grad oder das generelle Verbot von Dachüberständen mit Ausnahme der Regenrinne seien nicht durchsetzbar gewesen. Wie sieht eifeltypisches Bauen aus, und kann man das mit Bebauungsplänen erzwingen? Schicken Sie uns ihre Meinung in Kürze an eifel-echo@volksfreund.de. Name und Anschrift nicht vergessen.

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