Suche nach dem verschollenen Theater

Dass es einst existierte, ist bewiesen. Aber wo? Und was ist dort einst geschehen? Unsere Reporterin hat sich im modernen Bitburg auf die Suche nach dem verschollenen römischen Theater gemacht.

Bitburg. Das Glockenläuten der Liebfrauenkirche mischt sich mit dem Lärm vorbeifahrender Autos, aus einem Restaurant duftet es nach thailändischem Essen und es fällt schwer, sich vorzustellen, dass es hier vor rund 1800 Jahren irgendwo gestanden haben muss. Irgendwo hier. Nur wo? So ein Theater kann doch nicht einfach spurlos verschwinden!

Das erste Indiz auf der Suche nach Bitburgs verschollenem Theater ist ein Stein. Nicht irgendeiner, sondern Archäologen zufolge der bedeutendste römische Fund der Stadt. Denn er beweist nicht bloß, dass es im römischen Bitburg - wohlgemerkt vor den Germaneneinfällen des Jahres 275 - ein Theater gegeben haben muss, sondern auch, dass die Menschen die dort lebten, sowohl Geld als auch Interesse an Kultur besaßen.

Eine Bühne mit Ehrenloge und 50 000 Denare



Der Stein steht in der Nähe des duftenden Restaurants auf einer kleinen Wiese, die offenkundig gerne von Hunden benutzt wird, und sieht gar nicht so bedeutend aus. In seinem Unterteil haben sich Moos und Flechten in die geritzten Vertiefungen der römischen Buchstaben gelegt. Buchstaben, die besagen, dass ein gewisser Lucius Ammatius Gamburius im Jahr 198 eine Bühne mit Ehrenloge erbaut und zudem 50 000 Denare gestiftet hat - das war ungeheuer viel Geld, eine der größten bekannten Stiftungen Galliens. Von den Zinsen sollten die Stadtoberen das Theater unterhalten und jedes Jahr am 30. April Festspiele ausrichten, so des Stifters Wunsch.

Dabei handelte es sich um sogenannte "Ludi florales", Spiele, die zu Ehren der Frühlingsgöttin Flora aufgeführt wurden. Für heutige Gottesdienste wären sie allerdings eher ungeeignet: Denn professionelle Prostituierte redeten auf der Bühne obszönes Zeugs und zogen sich abschließend vor zufrieden johlenden Zuschauern aus - Striptease auf Römisch. Ovid zufolge gehörten auch Hetzjagden auf Ziegen und Hasen zum Programm.

So weit, so gut. Der 1889 in der Nähe des heutigen Standorts an der Römermauer entdeckte Stein scheint tatsächlich zu beweisen, dass Bitburgs Römer ins Theater gehen konnten - wo es vermutlich auch andere Darbietungen gab. Nur wo?

Vielleicht weiß die Stadtverwaltung weiter. An Nachkriegshäusern und römischen Statuen vorbei geht es zum Rathaus. Doch es ist Freitag, 14 Uhr. Keine gute Zeit, um Beamte zu sprechen, denn schon um 12.30 Uhr macht der Laden dicht. Glück, dass eben in diesem Moment einer herauskommt - auch wenn er von einem römischen Theater noch nie was gehört hat.

"Aber der Herr Krewer vielleicht", sagt er, und dieser ist trotz der vorgerückten Stunde noch in seinem Büro. An den Wänden hängen dort riesige Baupläne der Stadthalle, Bilder von den Merowinger-Gräbern, die auf dieser Baustelle aufgetaucht waren und alte Stadtkarten. Denn Johannes Krewer ist zuständig für Bauangelegenheiten, aber auch für die Grabungsschutzgebiete.

"Bei der Grabung auf dem alten Brauereigelände hatten wir gehofft, auf Hinweise zu stoßen", sagt er. Und Funde gab es dort tatsächlich reichlich - allerdings keine, die das Rätsel um das Bitburger Theater lösen würden.

Aus einer Schublade zieht er eine weitere Karte und zeichnet mit dem Finger den Verlauf der Höhenlinien nach.

Dort, wo heute der Waisenhauspark liegt, bilden sie ein Halbrund. "Hier könnte es gewesen sein", sagt Krewer und zeigt auf eine Stelle westlich der Kölner Straße. Denn er gehe davon aus, dass das u-förmige Theater an einer Stelle lag, wo die Topografie günstig dafür war - so dass sich die steinernen Zuschauerränge an einem natürlichen Hügel emporziehen konnten. Den Aufwand, die Ränge hochzumauern, hätte man auf dem Land sicher nicht getrieben. Doch auch das nach Norden hin abfallende Gelände des Autohauses Müller-Flegel komme in Betracht.

Tatsächlich geht es von dort aus abwärts. Der von Blättern bedeckte Waisenhauspark hingegen neigt sich nur sehr leicht. Sollte hier, wo zig Entchen im Teich ihre Runden drehen, einst wirklich ein Theater gestanden haben?

Vielleicht hilft ein Besuch im Kreismuseum weiter. Doch Fehlanzeige, keine Spur vom Theater. Auch Museumsleiter Burkhard Kaufmann weiß nicht, wo es ist. Wie Krewer vermutet er es an einem Hang. Daher komme auch die Denkmalstraße in Betracht, sagt Kaufmann, ehe er einen Anruf bei Karl-Josef Gilles vom Landesmuseum in Trier empfiehlt. Der habe sich intensiv mit der römischen Geschichte Bitburgs beschäftigt.

Also, Herr Gilles, wo war das Theater? "Diese Frage habe ich mir so oft gestellt", sagt Gilles. Doch eine Antwort hat er nicht gefunden. Er geht allerdings davon aus, dass es sich irgendwo in Bitburg befunden haben muss - und nicht etwa außerhalb bei Fließem. Denn auch diese Theorie existiert. Christian Credner, ehrenamtlicher Mitarbeiter des Landesmuseums, hat unweit der Villa Otrang einen inzwischen verschütteten Taleinschnitt entdeckt, der einst als Steinbruch genutzt worden sein soll. Eine Verwendung, für die Römerbauten oft herhalten mussten.

"Das Theater muss schon im Vicus gelegen haben"



Doch daran glaubt Gilles nicht. "Das Theater muss schon im Vicus gelegen haben", sagt er. Denn für einen Theaterbesuch hätten sich die vielleicht 800 Einwohner Bedas nicht auf einen mehrere Kilometer langen Marsch gemacht. Wohl nicht einmal für römischen Striptease. Wo nur mögen diese Menschen ihre Schritte hingelenkt haben? Es bleibt ein Mysterium.

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