Traumatisierte Ritter des Kreuzes

Reichlich Kost zum Nachdenken gaben zwei Aufführungen von "Die Kreuzritter" des Theaters Agora aus St. Vith im Rahmen des SommerHeckMecks. Das anspruchsvolle Stück für Jugendliche ab 15 Jahre beleuchtete mit groteskem Humor Zusammenhänge zwischen Religion, Krieg und Ökonomie.

 Moderne „Glaubenskrieger“ singen „Ich hatt einen Kameraden“ – groteske Eingangsszene aus „Die Kreuzritter“. TV-Foto: Anke Emmerling

Moderne „Glaubenskrieger“ singen „Ich hatt einen Kameraden“ – groteske Eingangsszene aus „Die Kreuzritter“. TV-Foto: Anke Emmerling

Bitburg. (ae) Die Inszenierung beginnt schon vor dem eigentlichen Aufführungsort im Haus der Jugend. Zwei "Schwestern" heißen die Theaterbesucher zu einer "Benefizveranstaltung" willkommen. Sie drücken ihnen Tombolalose in die Hand, erstes Signal, dass die Zuschauer eine Rolle im Stück spielen werden. Eine unbehagliche, denn es ist überwiegend die des Voyeurs. Die "Benefizveranstaltung" führt Kriegsversehrte vor, die im christlichen Hospiz von "Mama Zara" therapiert werden. Schwester Zara (Zoé Kovacs) ist Regisseurin eines grotesken Spiels, das vorgeblich Therapieerfolge zeigen will, dabei aber die Patienten (Sascha Bauer, Eno Krojanker, Kurt Pothen, Andreas Schmid, Dirk Schwantes und Mathias Weiland) entblößt und sie zu Experimentierobjekten und Dressurnummern degradiert. Ihr zur Seite stehen die Schwestern Violetta (Viola Streicher) und Klara (Katja Wiefel), die sich wie Assistentinnen einer Fernseh-Show, besonders aber wie Unteroffiziere gebärden. Schließlich geht es um Krieg. Die Patienten, einst willige Kämpfer der "zivilisierten Welt" gegen "ungläubige Barbaren" und nun verletzte und traumatisierte Opfer, sollen für eine Neuauflage ihres Feldzuges fit gemacht werden. Verbrämt als Seelsorge wird unter rot beleuchtetem Kreuz eine Art christlicher Gehirnwäsche mit Liedern, Heiligengeschichten und Verhaltenstraining (Danken und Verzeihen) praktiziert. Den "Genesungsgrad" entlarvt der Traum eines Patienten, der als Videoprojektion erst Kreuzritter, dann Sequenzen aus dem Irak-Krieg zeigt. Dem jugendlichen Publikum ist Unbehagen deutlich anzumerken. Durch tragisch-komische Absurditäten häufig provoziertes Lachen bleibt buchstäblich im Halse stecken. Auch wird den ständigen Aufforderungen Zaras, mitzusingen oder mitzuklatschen, kaum gefolgt.Eindringlich transportieren die hervorragenden Schauspieler, der geschickte Einsatz der Musik (Gerd Oly) und die klare Sprache von Bühne und Ausstattung (Pierre Doome, Emilie Cottam), das, worüber Regisseur Marcel Cremer zum Nachdenken anregen will: Geistige Brandstiftung und ihre Manipulationsmethoden, aber auch die Freiheit, sich zu verweigern.

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