Überlebt im zerstörten Keller

Es war ein schöner und kalter Sonntagmorgen an diesem Heiligen Abend 1944 in Bitburg. Zusammen mit meinem Schulfreund Peter verbrachte ich den Vormittag in unserer Wohnung im ersten Stock in der Adolf-Hitler-Straße 43 (heute Trierer Straße).

Wir hatten bereits Ausgehverbot, denn die Sirene auf dem Dach der schräg gegenüber liegenden Kreissparkasse hatte bereits Fliegervoralarm gegeben. In der Küche war meine Mutter mit den Weihnachtsvorbereitungen und dem Backen eines Hexenhäuschens soeben fertig, als die Sirene Vollalarm gab. Unverzüglich suchten wir nun unseren Luftschutzkeller durch einen Verbindungsgang zu den Lagerkellern der ehemaligen Bavaria Brauerei (Zangerles Eck) auf. Im Luftschutzkeller herrschte bereits reger Betrieb. Aber für meinen Freund und mich war das Ganze und das Hexenhäuschen nach kurzer Zeit Grund genug, noch einmal zurück in unsere Wohnung zu schleichen. Bei einem Blick aus dem Fenster sahen wir nun nochmal, ohne es zu wissen, unsere Heimatstadt, Minuten vor der Zerstörung. In der Stadt war es totenstill. Nur auf der nahen Straßenkreuzung patroullierte eine Heeresstreife, die uns gleich erblickte und sich entsprechend aufregte. In diesem Moment hörten wir ein Brummen. Aus Richtung Wolsfeld kommend, näherte sich am Horizont eine dunkle Masse. Es war ein riesiger Bomberpulk, der da auf uns zuflog. Wir rasten zurück in den Keller, eben noch rechtzeitig. Ein ungeheuerer Knall war das Letzte, was ich dann wahrnahm, ehe ich die Besinnung verlor. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich irgendwo im zum Teil zerstörten und nun total dunklen Keller auf der Erde lag, als mich meine Angehörigen fast unverletzt schließlich fanden. Peter sah ich nicht mehr an diesem Tag. Aber auch er hatte überlebt. Durch den fast ganz verschütteten Außeneingang des Schutzkellers wurden wir dann unter Mithilfe von amerikanischen Kriegsgefangenen aus unserer katastrophalen Lage wieder ans Tageslicht gezogen. Wir blickten auf einen riesigen, noch rauchenden Trümmerhaufen wo noch vor kurzer Zeit unser Haus gestanden hatte. An diesem Tag sah ich auch die ersten Toten meines Lebens. Nach einer Übernachtung bei unseren Verwandten, der Familie Peifer in der Stockstraße, entkamen wir dem zweiten Angriff am folgenden ersten Weihnachtstag durch die Flucht nach Metterich und erlebten nun auf dem Weg dorthin die Fortsetzung des Kampfes zwischen Bomber, Flak und Jabos, dieses Mal von außerhalb der Stadt. Zusammen mit meinem Vetter Hans musste ich an diesem Tag wieder einmal versuchen, über die Runden zu kommen. Mit einem Leiterwagen schickte man uns los zu den Verwandten auf der anderen Kyllseite. Die Fahrt durch das Albach- und Kylltal war an diesem Tag ebenfalls nicht ungefährlich. Ich weiß nicht mehr, wie oft wir im Straßengraben Deckung suchten und dabei unser Gefährt auf der Straße stehen ließen, denn am Himmel war zeitweilig die Hölle los. Die Flakstellung auf dem Berg zwischen Metterich und Erdorf feuerte mit ihren 8,8 Zentimeter- und Vierlingsgeschützen aus allen Rohren. Der Himmel war übersät mit Flakwölkchen, hoch- und tieffliegenden Jabos, kleineren Bombergruppen und mitunter auch mit abstürzenden Flugzeugen, deren Besatzungen teilweise an Fallschirmen herunterpendelten. Bei der Kyllbrücke endlich angekommen, suchten wir Zuflucht in den Unterständen der Brückenpfeiler, wo wir, wie bereits auch schon unterwegs, auf weitere Bitburger Flüchtlinge trafen. Dort blieben wir dann, bis die Lage sich beruhigt hatte und wir weiternach Metterich fahren konnten. SLeo Crames ist heute 70 Jahre alt und lebt als Rentner in Bollendorf. Weitere Berichte von Zeitzeugen lesen Sie auf Seite 10.

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