Und dann kam die Gestapo...

SPEICHER. Für "hervorragende Dienste und vorzügliche Bemühungen für Kirche und Papst" erhielt Hans Renner aus Speicher den Orden "Pro Ecclesia et Pontifice". Die päpstliche Auszeichnung gründet sich auf eine Geschichte, die sich 1935 ereignet hat, und deren Konsequenzen bis heute das Handeln von Hans Renners prägen.

Als zwöljähriger trat Hans Renner 1924 der freien Wandervogelgruppe "Silberreiher" bei. "Von dieser faszinierenden Wandervogelzeit bin ich das ganze Leben nicht mehr weggekommen," erzählt der 92-Jährige heute. Geboren und aufgewachsenen ist Renner in Koblenz. Vier Jahre war er alt, als seine Mutter 1916 an Herzversagen starb, sein Vater war im Krieg. Die Wandervogelgruppe habe seine Vorstellung von Freiheit geprägt, sagt Renner. Dort wurde auch der Grundstein für seine engagierte Jugendarbeit gelegt. In seiner Heimatpfarrei St. Kastor in Koblenz leitete der gläubige Christ eine solche Wandervogel-Gruppe des Katholischen Jungmännervereins, die Anfang der 30er Jahre in "Sturmschar" umbenannt wurde. Hans Renner, zu dieser Zeit erst Rechtsanwaltsgehilfe, später Bürovorsteher, stieg in der katholischen Jugendbewegung bis zum Diözesanführer auf. Das brachte ihm Anfang April 1935 eine feste Anstellung im Diözesanamt in Trier ein.Jeder sollte hören: "Der Renner ist wieder frei"

Im Sommer des gleichen Jahres begleitete er eine große Wallfahrt nach Rom, an der 50 Busse, vier davon aus Trier, teilnahmen. "Es war großartig, wir konnten uns eine Woche lang völlig frei bewegen - in Deutschland war ja schon alles verboten. Die deutschen Behörden erfuhren von der Wallfahrt erst durch die italienischen Medien. Aus Rache filzte die Gestapo auf der Rückreise alle Busse und nahm uns äußerst rüpelhaft die ganze Ausrüstung, Kluft und Zelte, weg." Diözesanpräses Johannes Müller aus Trier schrieb einen Bericht über dieses Ereignis. Diesen, und die Schilderung einer von HJ und Gestapo gestörten Bannerweihe eines Pfarrers an der Mosel verteilten Hans Renner und zwei Mitstreiter in der ganzen Diözese. Es gab jedoch eine undichte Stelle, und Johannes Müller wurde verhaftet. Die drei Freunde verbreiteten auch diese Nachricht. "Danach gab es eines Morgens Gepolter im Haus und sie kamen, um mich zu holen," erzählt Hans Renner. Im Untersuchungsgefängnis in der Windstraße saß er drei Monate. Dank seines ehemaligen Lehrherrn, der ihn verteidigte, wurde die U-Haft aufgehoben. Die Gestapo sperrte ihn jedoch gleich wieder ein. "Den Grund habe ich erst 1988 bei Akteneinsicht erfahren. Inzwischen war ein Antrag ergangen, die ursprüngliche Anklage wegen "heimtückischer Angriffe auf Staat und Partei" auf "Vorbereitung von Hochverrat" auszudehnen. Warum das Verfahren dann "mangels Beweise" eingestellt wurde, ist nicht mehr zu rekonstruieren. Möglich ist, dass auch die Fürsprache des damaligen Bischofs dazu beitrug. Nach fünf Monaten verließ Hans Renner das Gefängnis, nicht ohne seine ganzen Habseligkeiten mit lautem Gepolter die Treppe herunterzuwerfen. "Jeder sollte hören, dass der Renner wieder frei ist!" Das kostete ihn den ganzen Arbeitslohn der fünf Monate. In der Folgezeit geriet er immer wieder ins Visier der Gestapo, erlebte äußerst bewegte und tragische Kriegswirren, rettete aber sich, seine Familie und seine Grundsätze in die Zeit danach. "Mein Kriegsziel hieß: überleben!" Als Zeitzeuge leistete der Vater von fünf Söhnen später viele Jahre Bildungsarbeit und trat auf Informationsveranstaltungen für Schüler auf. "So etwas wie die Nazizeit darf sich nie wiederholen! Ich habe erlebt, wie aus kleinen Anfängen eine Lawine wurde." Sein Engagement für Freiheit und Gerechtigkeit wurde mit vielen Auszeichnungen belohnt. Die wichtigste, neben dem Bundesverdienstkreuz und dem päpstlichen Orden, ist ihm das goldene Ehrenkreuz des Bundes Deutscher Katholischer Jugend, das er 1956 erhielt. Denn all seinem Handeln lag christliche Überzeugung zugrunde, die ihm die nötige Stärke verlieh: "Ohne meinen Glauben hätte ich das alles nicht durchgehalten."

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