Untreue-Vorwurf gegen Ex-Bürgermeister der Verbandsgemeinde Speicher endgültig vom Tisch

Speicher/Trier · Das Landgericht (LG) Trier hat die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft als unbegründet verworfen. Damit geht der ehemalige Bürgermeister der Verbandsgemeinde (VG) Speicher, Rudolf Becker, straffrei aus. Der Grund ist ein juristischer.

Untreue-Vorwurf gegen Ex-Bürgermeister der Verbandsgemeinde Speicher endgültig vom Tisch
Foto: Cheryl Cadamuro

"Das Landgericht ist der Auffassung, dass das Verhalten des ehemaligen VG-Bürgermeisters nicht strafbar sei", sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Peter Fritzen. Das Trierer LG hat die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft als unbegründet verworfen. Es bestehe kein hinreichender Tatverdacht wegen Untreue, erklärt Medienreferentin Sarah Weber. Rudolf Becker wird also nicht bestraft.

Der Vorwurf: Zehn Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung hatte die Staatsanwaltschaft Trier gefordert, weil Becker knapp 10.000 Euro aus der Kasse der Volkshochschule (VHS) Speicher veruntreut haben sollte. Im Dezember 2015 beantragte sie Strafbefehl gegen den ehemaligen Bürgermeister der VG Speicher - wegen Untreue in zwei Fällen. Dass er mit dem Geld Politiker-Reisen nach Rom (2012) und London (2013) finanziert hatte, hatte Becker zugegeben, und es aus eigener Tasche zurückgezahlt. Er bestritt allerdings, dass es sich um Untreue gehandelt habe (der TV berichtete mehrfach).

Die Instanzen: Darin hatte ihn das Amtsgericht (AG) Bitburg Anfang August bestätigt, indem es den Antrag auf Erlass des Strafbefehls abgelehnt hatte. Die Staatsanwaltschaft Trier legte sofortige Beschwerde ein. Diese hat das LG Trier nun als unbegründet verworfen.

Die Argumentation: Sowohl die Verteidigung als auch das AG Bitburg und das Trierer LG sind der Auffassung, dass kein hinreichender Tatverdacht gegen Rudolf Becker wegen Untreue bestehe. Der Grund: Er habe keine Vermögensbetreuungspflicht für das Geld gehabt, mit dem er die Reisen finanzierte. Heißt: Er war für das Geld nicht zuständig und kann es deshalb nicht veruntreut haben. Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. "Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er eine Vermögensbetreuungspflicht hatte", sagte Fritzen vor einem Monat. Und selbst wenn man annähme, dass dem nicht so sei, komme eine Anstiftung zur Untreue in Betracht. Becker hatte die damalige Geschäftsführerin der VHS Speicher dazu veranlasst, die Auszahlungen vorzunehmen. Die Ermittlungen gegen sie waren 2015 gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt worden, weil der "Schwerpunkt der Verantwortung" laut Fritzen bei Becker lag. Auch den Straftatbestand der Anstiftung zur Untreue hat das LG nun verneint.

Der Knackpunkt: Die Verantwortung für das Vermögen der VHS lag nämlich nicht bei dieser selbst, sondern bei der Kreisvolkshochschule Bitburg-Prüm (KVHS), wie sich im Nachhinein herausstellte. 2013 hatte die KVHS den rechtlichen Status der Außenstellen überprüft und festgestellt, dass die VHS Speicher nie selbstständig war. Ihre Buchhaltung ging an die KVHS über, wodurch das Defizit aus 2012 und 2013 erst auffiel. Durch diese rechtliche Neubewertung kann Becker nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden, da ihm die Verantwortung für das Vermögen der VHS im Nachhinein entzogen wurde. Genauso wie der damaligen Geschäftsführerin. Und somit kann Becker sie auch nicht zur Untreue angestiftet haben.

Die Reaktionen: "Das ist eine gerichtliche Entscheidung. Die haben wir als Staatsanwaltschaft zu akzeptieren", sagt Fritzen. Inhaltlich möchte der Leitende Oberstaatsanwalt sie nicht kommentieren. Da es kein Rechtsmittel mehr gebe, sei das Verfahren damit beendet. "Herr Becker begrüßt die Entscheidung des Landgerichts und freut sich selbstverständlich, dass das Strafverfahren nunmehr seinen endgültigen Abschluss gefunden hat", sagt dessen Verteidigerin Carolin Weyand.

Meinung
Verantwortung(s)los: Wer übernimmt sie?
Dass sich jemand an fremdem Vermögen bedient und nicht bestraft wird, ist schwer nachvollziehbar. Die Begründung, dass Rudolf Becker für dieses Vermögen nicht verantwortlich gewesen sei und es deshalb nicht habe veruntreuen können, lässt einen fassungslos zurück.
Becker hatte Zugriff auf dieses Geld und war damit auch dafür verantwortlich, egal wie die rechtliche Situation im Nachhinein definiert wurde.
Vor allem stellt sich aber die Frage: Wer war denn dann verantwortlich? Irgendjemand muss die Betreuungspflicht für das Geld ja gehabt haben - und für die Zweckentfremdung von knapp 10.000 Euro geradestehen. Fest steht, Becker wurde von dieser Verantwortung befreit. Und zwar endgültig.

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