Vom Polizisten zum Jäger

NEUENDORF. Der Porsche-Unfall von 1998. Damals kollidierten auf der Bundesstraße 51 bei Neuendorf zwei Personenwagen, in denen zwei junge Männer aus Nimshuscheid und ein Niederländer starben. Seit mehr als zwei Jahren ist die Sache verjährt; trotzdem lässt sie die Ermittler nicht los.

Gerhard Kauth, Hauptkommissar bei der Polizeiinspektion Prüm. Tausend Mal hat er sich gefragt, ob er etwas übersehen hat, ob ihm ein Fehler unterlaufen ist. Irgendwas. Denn auch wenn die Hinweise noch so abwegig erschienen: Auf jede Kleinigkeit kam es an; alles, aber auch alles wurde untersucht, auf den Kopf gestellt, gedreht und gewendet in den Jahren seit dem 19. September 1998, in denen sich auch ein Polizistenleben veränderte und Gerhard Kauth nicht nur zum Soko-Chef avancierte, sondern auch zum Jäger wurde und - dies ist ja so fatal - in denen die Sache verjährte. Dieser vermaledeite Samstag, der 19. September 1998, der Tag, an dem das Schicksal dem Leben etlicher Menschen auf dem Asphalt der Bundesstraße 51 im Angesicht des Eifel-Örtchens Neuendorf eine Wende oder zumindest eine derart hässliche Narbe verpasste, die man nicht einmal seinem schlimmsten Feind wünscht, wuchs mit den Jahren in den Akten wie ein hässliches Geschwür. Auf der B 51 kollidierten am 19. September 1998 zwei Personenwagen, nachdem einer von ihnen zuvor eine Berührung mit einem silberfarbenen Porsche-Boxter gehabt haben soll. Dessen Fahrer entfernte sich vom Unfallort und wurde nie gefasst Die Polizei fahndete bundesweit, setzte Zeugen sogar unter Hypnose. "Es gab verdammt haarige Momente", erinnert sich Gerhard Kauth und denkt an das Milieu, in dem er zu recherchieren hatte und in dem es nicht unbedingt außergewöhnlich ist, einen 40 000 Euro teuren Sportwagen im majestätischen Schatten der feinen Vorstadt-Villa zu parken. "Wir haben bei einigen Millionären ermittelt. Bei der Klientel, mit der wir es da zu tun hatten, da fährt die Frau Gemahlin einen Porsche Boxter als Zweitwagen", hat Gerhard Kauth im Laufe der Jahre gelernt. Unfassbar für jemanden, der es ansonsten gewohnt ist, mit den Aufgeregtheiten des ländlichen Alltags umzugehen und als Bürgermeister der kleinen Westeifel-Gemeinde Lauperath im Ehrenamt dem Gemeinwohl dient. Einen dieser haarigen Momente erlebt Soko-Chef Kauth abseits der millionenschweren Villenlandschaften bereits wenige Wochen nach der Katastrophe. Da wird der Vater der getöteten jungen Männer im Polizeigebäude am Prümer Fuhrweg vorstellig und macht Soko-Chef Gerhard Kauth schwere Vorwürfe. "Der hat mich zur Schnecke gemacht, weil wir nicht weiterkamen", erinnert sich Gerhard Kauth und bekennt: "Ich konnte ihn sogar verstehen, obwohl er wusste, dass wir alle Hebel in Bewegung gesetzt hatten und rund um die Uhr ermittelten. Die Sache hatte ihm einfach das Herz gebrochen. Es waren zwei wirklich gut geratene Söhne, sein ganzer Stolz." Der Vorgang mit dem Aktenzeichen 8350Ujs10690/98. Nur ein Anhaltspunkt, ein vager Hinweis, ein Zufall, ein Sandkorn oder ein Irgendwas, das Gerhard Kauth wenigstens zur Befriedigung des bloßen Rechtsempfindens entspannen ließe und für so etwas wie späte Genugtuung sorgen könnte. Dabei wusste er von Beginn an: In diesem Trümmerfeld von Indizien, Beteuerungen und Spekulationen für Gerechtigkeit zu sorgen, war ohnehin sein Auftrag nicht. Denn etwas, das es nicht gab, ließ sich schlecht wiederherstellen. Vielleicht frisst den Porsche-Fahrer ja die Schuld auf, denkt Gerhard Kauth nun. Denn eines Tages könnte der Raser vielleicht einbrechen, der Qual nicht mehr gewachsen sein, die auf ihm lastet. Kauth: "Das Gefühl, drei Menschen in den Tod gerissen zu haben, wird ihn ohnehin sein Leben lang quälen."

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