Von Arlon nach Bitburg: Ein Mammutprojekt geht auf Reisen

Bitburg/Arlon · Symbolträchtiger kann ein musikalisches Ereignis kaum sein: Deutsche und Belgier führen am 11. November gemeinsam das multimediale Requiem "Der unbekannte Krieg" auf.

 Großes Aufgebot: 180 Musiker und Sänger aus Deutschland und Belgien gestalten das Reqiuem in Arlon mit.

Großes Aufgebot: 180 Musiker und Sänger aus Deutschland und Belgien gestalten das Reqiuem in Arlon mit.

Foto: (e_eifel )

Jean schaut ein wenig skeptisch in seine Noten. Er tut sich noch ein bisschen schwer mit dem neuen Chorstück. Ein modernes Reqiuem mit Orchester. Okay. Aber diese Pop-Elemente? "Ich mag es lieber klassisch", sagt der Sänger aus der Bitburger Partnerstadt Arlon. Aber: Er ist aus Überzeugung dabei. Genauso wie rund 60 weitere Sänger aus Arlon, darunter 30 Kinder, macht er mit bei diesem deutsch-belgischen Projekt.

Und das aus einem ganz besonderen Grund: Es bringt Menschen zusammen, die sich im vergangenen Jahrhundert in zwei Kriegen noch als Feinde gegenübergestanden haben. Deutsche und Belgier - Instrumentalisten und Chorsänger, Kinder und Erwachsene: Sie alle werden am Samstag, 11. November, 20.30 Uhr, im Maison des la Culture in Arlon das Requiem "Der unbekannte Krieg" aufführen.

Darauf freut sich Jean schon jetzt. Und deshalb sind er und seine Mitstreiter der Chöre La Sonatine und Mozaik Voices aus Arlon etwa 100 Kilometer nach Bitburg gefahren, um zusammen mit den rund 120 deutschen Mitwirkenden - dem Chor Cantando Messerich, einem Projektchor, den Kinderchören Cantando Kids und Cantando Teens aus Messerich, dem Jugendchor und Kinderchor Kirchenengel Bettingen, Baustert und Oberweis sowie dem Orchester der Musikschule des Eifelkreises und einem Brass-Ensemble der Kreismusikschule - die erste Gesamtprobe zu stemmen. Eine Probe, bei der Dirigent Thomas Rippinger alle Hände voll zu tun hat. Konzentriert arbeitet er sich zusammen mit den Sängern und Musikern durch die Partitur, werkelt an Feinarbeit bei Dynamik und Tempo, lässt wiederholen, mahnt und lobt. Vieles läuft glatt. Schließlich proben es die Belgier bereits seit einigen Monaten ist das Werk. Und für die deutschen Mitwirkenden ist es ohnehin nichts Neues. Vor zwei Jahren, im November 2015, haben sie das ungewöhnliche und mehrfach preisgekrönte Werk des Hunsrückers Carsten Braun zweimal in der Bitburger Stadthalle aufgeführt. Mit großem Erfolg. 900 Menschen besuchten die Aufführungen.

"Monumental", "Klasse": Das waren die Kommentare der Besucher. "Ihr müsst das in Arlon aufführen", jubelte Landrat Joachim Streit auf Facebook.Dass es so weit kam, dafür sorgten zwei Besucher aus Arlon, die Schwiegereltern des Cantando-Dirigenten Volker Dörffel, die wiederum den Kontakt zum "Mozaik Voices"-Chorleiter Jean Lambert herstellten. Er war gleich begeistert vom Projekt. Besonders davon, dass so viele Kinder und Jugendliche teilnehmen. "Ein einmaliges Projekt", sagt er, weil sie die seltene Chance hätten, zusammen mit so großem Orchester und Chor aufzutreten.

Dabei ist das Reqiuem keine leichte Kost. Weder thematisch noch künstlerisch. Denn die vom Komponisten vertonten Gedichte von Georg Trakl, Charles Sorley, Mari-Luise Kaschnitz und anderen werden in vier Sprachen und multimedial dargeboten - musikalisch und durch Bilder aus dem Zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit. Bilder von Angst, Zerstörung, Hunger. Aber auch Bilder der Hoffnung, der Versöhnung, der Freundschaft. Komponist Carsten Braun nennt sein Werk aus dem Jahr 2015 "ein multimediales Requiem gegen das Vergessen".

Multimedial. Genau das ist für Volker Dörffel, der das Werk 2015 nach Bitburg geholt hatte, auch die Chance, das schwierige Thema für junge Menschen zugänglich zu machen. Durch die Art der Vertonung mit Percussion- und Schlagzeugbegleitung, Synthesizer-Melodien und -Effekten werde das Reqiuem modern. Dazu kommen historische Bilder und Filmaufnahmen auf Großleinwänden - aber das erst bei den Aufführungen in Arlon.

Jetzt wird erst einmal geprobt. Volker Dörffel beobachtet das Geschehen von hinten, gibt dem Chor Tipps, spricht in den Probenpausen intensiv mit Thomas Rippinger. Jean und seine Mitstreiter haben sich gerade über das Kaffee- und Kuchenbuffet hergemacht. Schon geht es weiter. Auf dem Programm: das Schlussstück "La Paix" (Der Frieden) von Maurice Carême,. Höhepunkt: der Schlusschor "Je suis la Paix" ("Ich bin der Frieden"), gesungen in vier Sprachen. Zuerst erklingen die hellen Stimmen der Kinder mit "Je suis la Paix", der Tenor singt "Ich bin der Frieden!" "I am peace!" lautet die Zeile des Basses. Iris aus dem Projektchor stimmt mit dem Alt das russische "Ja mir!" an.

Kurz darauf stimmen alle gemeinsam in den gigantischen Schlusschor "Je suis la Paix" ein - ein Abschluss, der vielen Chorsängern den Schauer über den Rücken laufen lässt.

Viele lächeln. Auch Iris. Überhaupt, berichtet sie später, finde sie das Requiem "sehr bewegend". Gerade die Kombination aus Pop- und Klassik-Elementen mag sie gerne. "Außerdem finde ich es toll, das Stück in Belgien zu zeigen. Es ist viel zu schade, um in der Schublade zu liegen." Findet Volker Dörffel auch. "Jeder, der drei Minuten Nachrichten hört, weiß, wann man sich das anhören muss", sagt er. Und plant schon jetzt Auftritte an symbolträchtigen Orten.

Aber das ist Zukunftsmusik - erst mal geht's nach Arlon. Am 11. November, der in Belgien ein Feiertag ist, an dem der Gefallenen des Ersten Weltkrieges gedacht wird. An diesem Tag beendete im Jahr 1918 ein Waffenstillstand offiziell die Kriegshandlungen. Da kann das "Je suis la Paix" gar nicht laut genug sein.Die Aufführung

 Das Schlagzeug – ein wichtiges Instrument beim Requiem, das modern und poppig daherkommt. TV-Fotos (2): Ulrike Löhnertz

Das Schlagzeug – ein wichtiges Instrument beim Requiem, das modern und poppig daherkommt. TV-Fotos (2): Ulrike Löhnertz

Foto: (e_eifel )

Das moderne Requiem "Der unbekannte Krieg" wird am Samstag, 11. November, um 20.30 Uhr von etwa 180 Mitwirkenden im Maison de la Culture in Arlon (Belgien) aufgeführt. Eintritt: 15 Euro für Erwachsene, 10 Euro für Kinder zwischen 12 und 18 Jahren, frei für Kinder ab 12 Jahren. Karten gibt es unter Telefon 0032/63245850, 0032/63219454, oder per E-Mail an: info@maison- culture-arlon.be oder info@ot-arlon.be Hauptsponsor und Mitorganisator für das Reqiuem ist der Verband "Inter Service Clubs" Arlon, in dem sich einige wohltätige Organisationen zusammengetan haben. Zudem gibt die Stadt Bitburg einen Fahrtkostenzuschuss für die Akteure.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort